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glauben, daß Rußland bis zur Mitte des Jahres 1874 einen Krieg
mit der ottomannischen Pforte gesucht habe, zumal die Dinge in
der Türkei für seine Pläne von selbst und ganz ohne sein Zuthun
reiften. In einer wesentlich anderen Lage befand sich dagegen Oester-
reich. Mährend Rußland sich mit den türkischen Wirren nach
Belieben beschäftigen konnte oder auch nicht, wurde Oesterreich
durch dieselben von Anfang an in sehr empfindliche Mitleidenschaft -
gezogen und konnte sich gar nicht die Frage vorlegen, ob es
wollte oder nicht wollte. Außerdem hätte ja Oesterreich alle
Urfache gehabt, sich auf sich selbst zu beschränken. Der im Jahre
1867 zwischen den beiden Reichshälften geschlossene Ausgleich sollte
nämlich in diesem Jahre erneuert werden und es zeigte sich so-
sort, daß die Verständigung darüber keineswegs so glatt ablaufen
werde, wie es für die Gesammtmonarchie wünschbar gewesen
wäre. Die Unterhandlungen zwischen den beiden Regierungen wur-
den in den ersten Tagen des Januar in Pesth eröffnet. Sie
blieben jedoch zunächst gänzlich erfolglos, da die Ungarn mit den
weitestgehenden Forderungen hervortraten und offenbar darauf aus-
gingen, ihr Defizit durch den neuen Außgleich auf Kosten Oesterreichs
zu decken, immerhin ohne darum auf irgend welchen Vortheil ihrer
politischen Stellung innerhalb der Gesammtmonarchie verzichten zu
wollen. Selbstverständlich hatte Oesterreich dazu seinerseits ganz
und gar keine Lust und der Reichsrath gerieth denn auch, sobald
die Forderungen der Ungarn bekannt wurden, in große Auf-
regung: alle Parteien waren jedoch ohne langes Bedenken darlber
einig, daß Oesterreich zu Gunsten der Gesammtmonarchie schon jetzt
mehr als genug belastet sei und daß es sich eine noch größere Be-
lastung nicht gefallen lassen könne und nicht gefallen lassen werde.
Erst im April wurden die Ausgleichsconferenzen in Wien wieder
aufgenommen und führten nur darum zu einem wenigstens vor-
läufigen Resultate, weil die Ungarn sich inzwischen doch überzeugt
hatten, daß sie in allen wesentlichen Punkten ihrerfeits nachgeben
müßten, wenn sie nicht die Frage der Personalunion, die, obgleich
von einer Partei unter ihnen mit Eifer gehegt und verfolgt, doch
in Wahrheit am allerwenigsten im Interesse Ungarns liegt, der
österreichischen Reichshälfte mit Gewalt zu ernstester Erwägung auf-
drängen wollten. Die Stellung des Regiments Tisza wurde dadurch
in Ungarn allerdings nicht gerade gekräftigt. Aber eben die orien-
talische Frage und die Schwierigkeiten und Gefahren, welche sie