Bayern.
538 Nebersich! der pelilischen Eutwickung bes Jahres 1876.
zugehen. Die Differenzen mit und in den Gemeinden haben denn
auch wesentlich abgenommen. Dagegen zeigte die preußische Regie-
rung gegenüber den Bischöfen und dem Unwesen der geistlichen Semi-
narien aller Art keinerlei Schwäche. Eine Reihe der letzteren wurden
wieder, weil sie sich dem Gesetze nicht fügen wollten, einfach ge-
schlossen und ebenso wurden im Laufe des Jahres der Bischof von
Münster und der Erzbischof von Cöln durch den königlichen Gerichts-
hof für kirchliche Angelegenheiten ihrer Stellen entsetzt. Auch diese
bischöflichen Stühle bleiben vorerst unerledigt und ebenso auch der
bischöfliche Stuhl von Trier, wo der Bischof mit Tod abging. Augen-
scheinlich werden nach und nach alle bischöflichen Stühle in Preußen
verwaist sein, sicherlich zum größeren Nachtheil der Kirche, als
des Staates, der in diesem Fall ganz gewiß warten kann. Wäh-
rend aber in Preußen der Staat zu den Anmaßungen der römischen
Kurie und ihren Organen eine grundsätzlich feste Stellung genom-
men hat und festhält, ist das in Bayern allerdings nicht ebenso der
Fall und konnte es auch kaum, wenn die Regierung nicht einem
schweren Conflict mit der Volksvertretung, in welcher die ultramon-
tane Partei augenblicklich über eine kleine Mehrheit verfügte und
mit dem Kerne der Monarchie, den altbayerischen Provinzen, ent-
gegen gehen wollte. Dazu konnte sie sich nicht entschließen und zog
es vor, die Offensive auch weiterhin der ultramontanen Partei zu
überlassen. Diese hatte es denn auch wirklich schon im vorigen
Jahre versucht, in einem ziemlich energischen Anlauf das Ministerium
Lutz-Pfretzschner über den Haufen zu werfen, war aber an dem ent-
schiedenen Widerstande des Königs gescheitert. In der Session von
1876 erneuerte sie zwar ihre Angriffe, dieselben waren aber schon
viel schwächer und der Erfolg noch viel geringer. Im vorigen Jahr
war dem Ministerium von der kleinen ultramontanen Mehrheit der
II. Kammer ein Mißtrauensvotum ertheilt worden in der Absicht
und in der Hoffnung, es dadurch zu stürzen. Das Mißtrauens-
votum wurde nun zwar auch in dieser Session erneuert, aber
ohne daran practische Folgen zu knüpfen, gewissermaßen also nur
ein platonisches Mißtrauensvotum und ebensowenig wagte es die
Partei, dem Ministerium das Budget geradezu zu verweigern oder
auch nur systematisch vom ultramontanen Standpunkt aus zu be-
schneiden; sie begnügte sich vielmehr mit einzelnen kleinen boshaften
Abstrichen, die für das Ganze nicht in Betracht kommen. Ein Ver-
such ihres Führers Jörg, ein neues Wahlgesetz, das den Ultramon-