Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebzehnter Jahrgang. 1876. (17)

78 HDas deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 19—20.) 
willigen Beiträge vollständig aus, um die kath. Geistlichen für die 
durch das sog. Sperrgesetz erlittene Einbuße zu entschädigen; auch 
aus Oesterreich flössen die Beiträge hiefür sehr reichlich. 
19. Februar. (Deutsches Reich.) Graf Stolberg-Wenige- 
rode, der Präsident des preuß. Herrenhauses, wird vom Kaiser zum 
Botschafter in Wien ernannt. Damit ist das Reich in London, 
Paris, St. Petersburg und Wien durch nicht-zünftige Diplomaten 
vertreten. 
19. Februar. (Oldenburg.) Der Landtag verwirft die Re- 
gierungsvorlage wegen neuer Regulation bez. der Staatsdienergehalte 
und wird daher vom Großherzog unter dem 24. Febr. aufgelöst. 
20. Februar. (Deutsches Reich.) Der „Deutsche Merkur“, 
das Organ der Münchener Altkatholiken (Döllinger, Huber 2c.) spricht 
sich sehr entschieden gegen die Aufhebung des Cölibats aus, mit der 
Behauptung: „der Altkatholicismus würde durch eine Aufhebung 
des Cölibats einen schweren Schlag erleiden, vermuthlich sogar einer 
Auflösung entgegen gehen“. Im Ganzen ist aber die Stimmung 
der Altkatholiken und ihrer Freunde gerade bez. dieser Frage eine 
ganz andere. 
20. Februar. (Preußen.) Abg.-Haus: genehmigt mit großer 
Mehrheit einen Antrag Birchow's, die neue Kreis= und Provinzial- 
ordnung ohne Säumen auch auf Rheinland-Westphalen auszudehnen. 
Der Minister des Innern gibt hierbei die Erklärung ab, daß bei Be- 
urtheilung dieser Frage lediglich das sachliche Bedürfniß entscheidend sei; 
man müsse zuvörderst das Reformwerk für die östlichen Provinzen durch- 
führen, da dessen Zustandekommen ganz außerordentliche Schwierigkeiten ver- 
anlaßt habe, die Arbeitslast sei eine so enorme. daß keine Zeit für die Vor- 
bereitung noch weiterer neuer Gesetze bliebe. Durch die Revision der Kreis- 
ordnung, die Einrichtung der Verwaltungsgerichte, die Umarbeitung der- 
Städteordnung sei die ganze Aufmerksamkeit, Mühe und Thätigkeit der Re- 
gierung in Anspruch genommen. „Sind wir damit fertig, werden wir selbst- 
verständlich die Reformen auch auf die westlichen Provinzen ausdehnen.“ Die 
ausgesprochene Befürchtung, ein reactionärer Wind möchte die Reformgesetz- 
gebung für Rheinland und Westphalen umstoßen, erklärt der Minister für 
unzutreffend und hinfällig; stehe das Gebäude erst für die östlichen Provinzen, 
so werde es auch für die westlichen unverloren sein. Die Regierung gehe 
ihren bewußten Weg, müsse indessen freie Hand behalten. 
Das Haus genehmigt einstimmig den Antrag des conservativen 
Abg. Denzin, den seinerzeitigen Bericht der Eisenbahn-Untersuchungs- 
commission (betr. Gründer und Gründungsschwindel nach der An- 
regung Lasker's) „baldigst, jedenfalls aber noch in dieser Session“ 
in öffentliche Berathung zu nehmen.
	        
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