Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 20.) 79
Die Motive dazu lauten kurz: „Es ist eine berechtigte Forderung des
Landes, daß der von der Untersuchungscommission erstattete Bericht zum
Besten der allgemeinen Wohlfahrt durch Verathung der sachlichen Momente
nußbar gemacht werde für Entscheidung der Frage, ob die iezige über Actien-=
unternehmungen tbestehende Gesetzgebung einer Revision bedarf.“ Zunächst
handelt es sich darum, die Verhandlung über den Bericht selbst auf die
Tagesordnung zu setzen und vor allem aus darum, diesen Bericht durch den
Druck weiteren Kreisen zugänglich zu machen, da derselbe in der vorigen
Legislaturperiode nicht ausgegeben wurde.
Folgendes ist in Kürze der bisherige Gang der parlamentarischen
Verhandlungen über Gründer und Gründungen und die Genesis so wie das
Schicksal des Berichtes darüber: Lasker eröffnete im preuß. Abg.-Haus seine
Angriffe auf den Handelsminister Itzenplih am 17. December 1872, also zu
einer Zeit, wo das Gründungswesen doch in schönster Blüthe stand. Es
geschah Dies bei Vorlage eines Gesetzes über Errichtung von Eisenbahnkom=
missariaten. Bravo links und Oho! rechts begleitete damals seine Miß-
trauenserklärung. Lasler setzte dann am 14. Januar 1873 den Angriff bei
Vorlage der großen Eisenbahnanleihe fort. Am 7. Februar erschien das ge-
sammte Staatsministerinm im Abgeordnetenhause: Ministerpräsident v. Roon
verlas eine Erklärung, welche die Verdächtigung des Geh. Raths Wagener
zurückwies und Lasker persönliche Interessen insinuirte. Lasker antwortete
mit dem berühmten großen Anklageakte gegen Ipenplip, Wagener und die
vornehmen Eisenbahnconessionäre, Roon nahm dann die Insinuation gegen
Lasker in Betreff der Verfolgung persönlicher Interessen noch in derselben
Sitzung zurück. Am 14. Februar erschien die königliche Botschaft, welche
zur Untersuchung der behaupteten Mißstände im Eisenbahnconcessionswesen
eine besondere Kommission niedersetzte, bestehend aus 5 Beamten und je 2
Mitgliedern der beiden Häuser des Landtages. Das Abgeordnetenhaus wählte
Lasker und v. Köller in die Kommission. Am 4. April dehnte Lasker im
Reichstage, zu dessen Competenz die Handelsgesetzgebung durch hört, seine An-
griffe auf das Gebiet des gesammten Actienwesens aus durch eine Inter-
pellation, worin er anfragte, ob die bei Gründung und Verwaltung von
Actiengesellschaften beobachteten Mißstände zur Kenntniß der Reichsregierung.
gekommen seien und welche Aenderungen der Gesetzgebung sie herbeizuführen
beabsichtige. Unterzeichnet war die Interpellation von Mitgliedern aller
Parteien. Delbrück gab die Antwort, daß es außerhalb der Macht der Ge-
setzgebung liege, Leute, die nun einmal ihr Geld los sein wollten, daran zu
hindern; man werde aber sämmtliche Bundesregierungen zur Berichterstattung
auffordern. Herr v. Kardorff beantragte eine Besprechung der Interpellation
und warf darin Lasker vor, daß er auch appellire „an die schlechten Leiden-
schaften, die merhale eines Volkes schlummern, an den Neid, die Mißgunst,
die Schadenfreude aller Derer, welche ihre Lust am Scandal haben.“ Herr
v. Denzin beantragte hierauf Schluß der Debatle. Seitdem ist der Gegen-
stand der Interpellation im Bundesrath bis zu einer allgemeinen Revision
des Handelsgesetzbuches vertagt worden. — Im Frühjsahr und Sommer 1873
fanden 56 Sitzungen der Eienbahnuntersuchungskrommission statt. Unterdeß
ging Minister Graf Itzenplitz ab und verschwand auch Wagener von der
officiellen Bühne. Am 12. November 1873 legte das Staatsministerium
den Brich der Untersuchungskommission den beiden Häusern des Landtages
vor. Der Bericht enthält zunächst auf Grundlage umfassender Zeugenver-
nehmungen und eingeholter Urkunden wie der Acten des Handelsministeriums
objectve Schilderungen. Diese Berichte bestätigen insbesondere Alles,
was der Abg. Lasker im Abgeordnetenhause vorgebracht, und fügen noch erschwer-
rende Momente hinzu, welche Lasker, weil damals für die öffentliche Er-