Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebzehnter Jahrgang. 1876. (17)

82 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 23.) 
gangen, jedenfalls aber in der nächsten Zeit zu erwarten. Es wird alsdann 
die Fertigstellung des Unterrichtsgeselee auf's höchste beschleunigt werden, 
so daß es voraussichtlich möglich sein wird, die Vorlage in der nächsten 
Session einzubringen. 
Der Antrag Denzin vom 20. d., betr. Berathung des Berichts 
der Specialcommission Zur Untersuchung des Eisenbahnconcessions- 
wesens, wird vom Hause fast einstimmig angenommen. 
Aus der Debatle: Lasker: Kein Mitglied des Hauses hat ein 
solches Interesse wie ich daran, daß über die Ergebnisse der Untersuchungs- 
commission hier verhandelt werde. Denn den Grundsatz, den ich öffentlich 
anerkannt habe, und der allein des seiner Ehre bewußten Mannes würdig 
ist, halte ich fest, nämlich daß jede öffentlich gegen Personen gerichtete An- 
klage, die mit der Privatehre in Verbindung steht, zugleich für denjenigen. 
der die Anklage erhebt, die Nothwendigkeit schafft, sich zu reinigen von dem 
Vorwurf einer unwahren Anschuldigung und den vollen Beweis zu bringen. 
Wie sehr auch in der Presse Jahre lang Verdächtigungen gegen mich geschleu- 
dert sind, so habe ich sie nicht beachtet, mil der Geduld, daß einmal der 
Tag kommen würde, an welchem ich öffentlich dem Lande zeigen könne, wie 
leichtfertig und wahrheitswidrig jene Berichte ersonnen sind. Trotzdem habe 
ich zur Verwirklichung nichts gethan. damit es nicht aussähe, als ob ich 
wünschte, durch meine Initiative zu Verhandlungen zu drängen, welche im 
überwiegenden Maß auf Personen anderer Parteibekenntnisse sich beziehen. 
Diese Entsagung ist aber wieder so ausgebeutet worden, als ob ich die Ver- 
handlungen zu scheuen hätte. Als daher der Antrag von Seiten des Hrn. 
Abg. v. Denzin kam, war ich außerordentlich zufrieden, daß aus der Mitte 
dieser Bänke der Wunsch hervorgeht, eine solche Verhandlung zu führen. 
Wenn ich sagr, daß ich den Antrag mit Freuden begrüße, so sind es noatür- 
lich nicht persönliche Momente allein, welche mich mit Befriedigung erfüllen; 
wenn persönliche Motive und öffentliches Interesse sich gegenüberständen, so 
würde ich mich für das letztere entscheiden. Ich stimme nicht dem Hrn. Abg. 
v. Denzin bei, daß die Beschränkung auf die sachliche Frage dem Lande 
dienen werde, und ich stimme auch nicht dem Abg. Richter bei, daß nur die 
Behandlung des persönlichen Theiles nützlich sein werde. Für meine Mei- 
nung in Bezug auf den lebleren Punkt sprechen mehrere Gründe. Erstens 
sind in dem ersten Theil, dem persönlichen, thatsächlich Grundlagen gegeben, 
in denen die Fehler des vergangenen Eisenbahnsystems und der Eisenbahn= 
politik sich klar an den Thatsachen erweisen. Dann aber würde auch ohne 
diese die ganze Partie etwas so gezwungenes und frostiges erhalten, daß 
man glauben würde, es stecke vieles dahinter, dem man gern aus dem Wege 
gehen wolle, während doch ein jeder die gründlichste öffentliche Verhandlung 
wünscht. Endlich glaube ich, daß die Landesvertretung wohl überall den 
nöthigen Tact finden wird, sich allein vom Interesse der Sache leiten zu 
lassen und die krankhaften Dinge mit der nöthigen Schonung zu be- 
handeln. Jetzt, wo kein Muth dazn gehört, anzuklagen, und wo man dem 
Lande Rücksicht schuldig ist, kommt es darauf an, nicht ziellos Anklage 
auf Anklage zu häufen, sondern Belehrung zu geben. Ich verhehle mir 
nicht, daß wir mit der Annahme des Antrags v. Denzin eine schwierige 
und zugleich verantwortliche Aufgabe antreten; denn wenn die Verhand- 
lungen nicht die gerade Bahn einhalten, so fürchte ich, daß in der öffent- 
lichen Meinung eher Verwirrung als Aufklärung geboten wird. In der 
Behandlung der Angelegenheit ist meine Ansicht der des Hrn. Abg. v. Denzin 
nicht ganz gleich. Der Hr. Abgeordnete wünscht, daß der Untersuchungs-
	        
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