Full text: Europäischer Geschichtskalender. Siebzehnter Jahrgang. 1876. (17)

84 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Febr. 24—25.) 
dieses Commissionsberichts, daß die einmüthige und einträchtige Arbeit aller 
Parteien das Ergebniß haben werde, daß das Votk wiederum mit neuem 
Muth sich der Arbeit hingeben wird. 
24. Febrnar. (Sachsen.) II. Kammer: nimmt das ihr von 
der Regierung vorgelegte Gesetz betr. Entschädigung der Geistlichen 
und Kirchendiener an, 
jedoch so, daß die Entschädigung nicht direct den Geistlichen ect., son- 
dern den Gemeinden ausbezahlt werden soll, welche dafür die Verpflichtung 
übernehmen müssen, dieselbe nicht bloß unter Wegfall der Tauf= und Trau- 
gebühren, sondern aller Stolgebühren (Beichtgeldes ect.) ein= für allemal zu 
fixiren. In Folge eines Antrags der „Freien Vereinigung“ (Gensel, Bie- 
dermann und Genossen), welcher mit 47 gegen 23 Stimmen angenommen 
wird, soll das Gesetz auch auf Reformirte und Israeliten dergestalt ausge- 
dehnt werden, daß, obschon bei diesen schon jetzt keine Stolgebühren bestehen, 
oder vielmehr, weil dort bereits eingetreten ist. was das Gesetz allgemein 
verlangt, die Firation der Geistlichen, den betreffenden Gemeinden eine Ent- 
schädigung nach Maßgabe der in den letzten Jahren bei ihnen vorgekommenen 
Taufen, Trauungen ect. mit analoger Zugrundelegung der dafür bei den 
Evangelisch-Lutherischen üblichen Taxen gewährt werden soll. In den In- 
tentionen der Regierung hatte dieß, wie Staatsminister v. Gerber erklärt, 
nicht gelegen, indem diese die Entschädigung nur gewähren wollte, wo wirk- 
lich bisher Stolgebühren bestanden. 
Eine Nachwahl für die ll. sächsische Rammer in Chemnitz 
ergibt das sehr bemerkenswerthe Resullat, daß Bebel nur mit etwa 
50 Stimmen seinem nationalliberalen Gegner Zeuner unterliegt. 
Die Conservativen, welche Anfangs ebenfalls einen Candidaten auf- 
stellen wollten, hatten davon noch in letzter Stunde abgesehen; man 
muß also annehmen, daß wenigstens ein Theil derselben für Zeuner 
gestimmt hat, um nicht den Socialisten eine Mehrheit zu lassen. 
Liberale und Conservative zusammen haben also über die Socialisten 
bei einer Wahl, wo das Wahlrecht an einen Census von 3 Mark 
Steuer gebunden ist, nur mit 50 Stimmen obgesiegt. Freilich haben 
auch nur etwa 10 Proz. der Wähler gestimmt, und die Säumigen 
gehörten sicherlich nicht den socialistischen Wählern an.“ 
25. Februar. (Bayern.) lII. Kammer: die ultramontane 
Partei macht von ihrer Zweistimmenmehrheit Gebrauch und bestellt 
das Bureau ausschließlich aus ihrem Schooße. 
Der Minister v. Pfretzschner beantwortet eine Interpellation 
des (ultr.) Abg. Freitag bez. der Reichseisenbahnfrage dahin: 
„Ich gestatte mir, vorauszuschicken. daß man es wohl nicht als die 
Aufgabe dieser Interpellations-Beantwortung wird betrachten wollen, in die 
Erörterung der von dem Herrn Interpellanten vorangestellten und keineswegs 
einredefreien Bemerkungen über die den Bundesstaaten durch das Reich ent- 
zogenen oder aus den Händen entwundenen Rechte hier näher einzugehen. 
Ich erachte es vielmehr für geboten, daß die gegenwärtige Erwiderung sich
	        
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