Rahlaud. (Jan. 13.-27.) 379
13. Jannar. Der Commandant der Südarmee, Großfürst
Nikolaus, publicirt in Kischeneff ein Gesetz über den Wirkungskreis
eines Civilcommissärs in feindlichem Lande. Ein solcher ist dem
Höchstcommandirenden unterstellt und seine Competeng erstreckt sich
über sämmtliche Verwaltungsangelegenheiten. Nur für die diplo-
matischen Angelegenheiten ist eine eigene Kanzlei creirt worden.
Mitte Januar. Die Mobilisirung der Südarmee geht sehr
langsam und noch ganz in alter Weise von Statten, obgleich sich
Rußland seit 1871 abgeplagt hat, eine solche nach deutscher Weise
einzuführen. Die Gesammtzahl der inzwischen unter dem Befehl
des (z. Z. kranken) Großfürsten Nikolaus stehenden Truppen wird
auf 251,270 Mann mit 482 Geschützen angegeben, welche in einem
weiten Halbkreise von etwa 18 Meilen Länge um das Hauptauartier
in Kischeneff echelonnirt sind. 6 Brigaden Jäger, 70 Geschütze und
2 Divisionen leichter Cavallerie, sowie starke Sappenr= und Pionier-
abtheilungen sind inzwischen bis hart an den Pruth gerückt, über
den bereits probeweise eine Ponkonbrücke geschlagen wird.
20. Januar. Die Pforte (s. diese) lehnt die Beschlüsse der
Konstantinopler Conferenz ab. Die Mächte rufen ihre Botschafter
von Konstantinopel zurück. So viel steht fest, daß, wenn es zum
Kriege kommen sollte, keine europäische Macht der Türkei Hülfe
leisten wird.
23. Jannar. Trotz eines vom Höchstcommandirenden der Süd-
armee vorgelegten Antrags wird beschlossen, die kais. Garde vorerst
nicht zu mobilisiren. Dagegen gewährt ein Erlaß des Ministeriums
des Innern allen Gonvernementsverwaltungen behufs Vorbereitung
zur Mobilisirung des Landsturms Gelderedite in Form von drei-
bis sechsjährigen Darlehen, welche sofort erhoben werden können.
27. Jannar. Der russische Botschafter in Konstantinopel kehrt
auf spezielle Weisung hin von Konstantinopel über Athen nach St.
Petersburg zurück, um den englischen Einfluß zu paralysieren, den
die Ignatieff zuvorgekommenen Lord Salisbury und Sir Heury Elliot
dort geltend gemacht haben.
27. Januar. Eröffnung des Landtags von Finnland in Hel-
singfors. Der Generalgouverneur, Generaladjutant Graf Adlerberg III.,
liest die Throrede vor, welche Vorlagen namentlich bez. Eisenbahnen
und Einführung der allgemeinen Wehrpflicht ankündigt.
Die Feierlichkeit * wiederum die eigenthümlichen sprachlichen Ver-
hältnisse des Großfürstenthums dar. Die General-Gouverneur verliest die
Thronrede in russischer Sprache, worauf sie von einem Senator in schwe-