Dos deuische RNeich und seine einzelnen Glieder. (Juni 13.) 99
Ksischloses Schanbrunn ward ihm zuerst gastliche Aufnahme, später erwarb
eine auf der Straße nach Haking gelegene Villa nebst prachtvollem Park,
r der er dgewöhnlich E Winter und Frühling zubrachte. Zum Sommer=
aufenthalt hatte er sich Gmunden erwählt. Das Leben, das er in den ersten
zwei Jahren führte, brachte in dem zur Wintersgeit soust einsamen Hiehing
große Bewegung hervor. Georg V. hat niemals aufgehört, sich als König
zu fühlen und in der ersten Zeit seines Aufenthalts in Oesterreich durch
die Art und Weise, wie er diese Behauptung der Legalität seines Rechts
burchzuführen versuchte, zu vielfachen Rekriminationen Veraulassung gegeben.
Er hielt in Hiehing förmlichen Hofstaat. Sein Minister des Aeußern, Graf
Platen, fungirte daselbst mit einem förmlichen Bureau, in welchem der
Legationsrath Meding, der sich später durch seine Nomane unter dem Pfen-
donym Gregor Samarow eine gewisse Berühmtheit erwarb, keine unbedentende
Rolle spielte. Ein Finanzrath stand an der Spitze Hofkammer, ein
eigenes Preßbureau ward errichtel, eine Militärkanglei. aus trengebliebenen
Offizieren höherer Chargen gebildei; der König halle seinen Obersthofmeister,
seinen General-Adjutanten, wie die eKönigin und die Prinzessinnen Friederike
und Mary ihre Hofdamen. Der diplomatischen und militärischen Kanglei
wußte aber Graf Beust ein jähes Ende zu seten. Die Minister, wie die
literarischen Beiräthe und die militärischen Würdenträger wurden ihrer Stel-
lungen enthoben — und auch die finanziellen Operationen erlitten mit dem
Untergange der mit Biihile der Millionen König Georg's gegründeten
Wiener Bank Schiffbruch. Der Hof von Hannover begann sich einzuschrän-
ken, die mit Ostentation jur Schan getragene haunoverische Uniform ward
abgelegt und von dem Tage, an dem Kronprinz Ernst Angust in die ösier-
reichische Uniform sich kleidete, hatte die politische Welt keinen Anlaß mehr,
sich mit dem Hannover'schen Hofe izu beschäftigen. König Georg aber blieb
seinen Anschauungen über die ihm angeborenen und unveränßerlichen Rechte
treu bis zu seinem Tode. Bezüglich der Frage, wo seine Leiche beigesetzt
werden solle, wird seitens der preußischen Regierung sofort die Bereitwillig-
teit zur Erfüllung des ihr ausgesprochenen Wunsches, die Beisehtzung, jedoch
allerdings ohne militärische oder amtliche Feierlichkeit, in Herrenhanfen
stattsinden zu lassen, kundgegeben. Die Hinterbliebenen ziehen jedoch ein
durchaus königliches Leichenbegängniß in Paris (unter Begleitung französischer
Jnfanterie, Cavallerie und Artillerie) und die Beisehung der Leiche in Wind-
sor vor.
13. Juni. Erste Sitzung des Congresses der Großmächte und
der Türkei in Berlin.
Folgendes sind die Namen der Mitglieder des Congresses: Türkei: Kara-
theoboml Mehemet Ali und Sadullak Bey; Rußland: Reichskangler Fürst Gor-
tschakoss, Graf Peter Schuwaloff u. Frhr. v. Oubril; England: Ministerpr-
sident Lord Beaconsfield, Minister des Answ. Salisbury und Lord Odo Nussel;
Oeslerreich: d. gemeinsame Minister des Ausw. Graf Andrassy, Graf Ca-
rolyi und Baron Haymerle; Frankreich: der Minister des Ausw. Wad-
dington und Graf St. Vallier; Italien: der Minister des Ausw. Graf
Corli und Graf de Launay; Deutschland: der Reichslaugler Fürst Bis-
marck, der Staatssekretär des Ausw. v. Bülow und Fürst Hohenlohe. —.
Die Nangordun zung ist nach dem Alphabet folgende: Allemagnc. Autrichc,
Francc, Grande Bretragne, Ltalic, Russie, Turduie. Zur Zeit des alten
Deutschen Reiches hatte bekanntlich der Deutsche Kaiser unbestritten den Vor-
rang vor den übrigen europäischen Sonveränen und der „Ambassadeur de
I’Empercur“, wie der Gesandte desselben in der damaligen“ officiellen Sprach-
weise schlechtweg genannt wurde, führte daher diesen Vorrang jeines Son-
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