110 Das deulsche Reich und seine rinzelnen Glieder. (Juni 28. — Juli 1.)
28. Juni. (Deuisches Reich.) Die sog. „freiwillig gou-
vernementale“ Presse, die Nordd. A. Ztg. 2c., greift rücksichtslos selbst
die geachtelsten Führer der Nationalliberalen, wie v. Bennigsen,
v. Stauffenberg rc. aufs hefligste an. Am Schlusse ihrer Diatriben
wiederholt sich regelmäßig die Frage: „Wie lange wird sich der
Reichskangler die von den nationalliberalen Führern gegen ihn ge-
richteten Angriffe noch gefallen lassen?"
29. Juni. Der GCongreu erledigt die griechische Frage. Me-
morandum des gu der Sitzung gugegogenen griechischen Bevollmäch=
tigten. Frankreich und Italien beantragen eine näher bestimmie
Grenzrektisikation zu Gunsten Griechenlands im Ginvernehmen des-
selben mit der Pforte, eventuell unter Vermilllung der Mächte.
England hegt Bedenken, Rußland dagegen erklärt, den Antrag rück-
halllos Zu unterstützen; die Türkei ist ohne Instruktion. Schließlich
wird der Antrag einstimmig angenommen.
— Juni. (Deutsches Reich.) Eine Anzahl hervorragender
Männer, an ihrer Spitze Moltke, laden gegenüber den wiederholten
Attentaten auf das ehrwürdige Haupt des Kaisers zu einer allge-
meinen Volkssubseription ein,
„die es jedem Deutschen, ohne Unterschied von Aller, Stand, Con-
session, Reichthum oder Armulh ermöglichen joll, seinem Gesühl Ansdruct
Zu geben, einer Subscription geringfügigster Summen. Alle Zeichnungen
über 1.4 sollen ausgeschlossen, Pfennigeinzahlungen zulässig sein. Gerade
auf diese lehleren wird der Werth gelegt. Nicht auf die Höhe des Ertrages,
sondern auf die Zahl der Zeichuer lommt es an. Diese joll zunen Kaiser
den Maßstab gewähren für die allgemeine Theilnahme seines Bolkes, der
Ertrag Sr. kaiserl. Hoheit dem Kronpringen mit der Bitte übergeben wer-
den, ihn nach eigener Wahl zu einem allgemeinen wohlthätigen Zweck zu
verwenden.“ Die Idee findet alsbald allgemeinen Anklang.
— Juni. (Preußen.) Die welfische Partei erhebt gelegent-
lich der Reichetagswahlbewegung mehr als je ihr Haupt und agitirt
aufs eifrigste: die Wahlen sollen nach ihrem Plane zu einer Art
von Plebiscit für den hannoverschen Kronpringen Erust August sich
gestallen.
1.—5. Juli. Der Congreß erledigt die rumänische, serbische
und montenegrinische Frage: Rumänien muß, da es von allen
Mächten im Stich gelassen wird, auf Bessarabien vergichten und
dasselbe an Rußland wieder abtreten; dagegen erhält es die Do-
brudscha und einen Landstrich von Silistria bis Mangalia am
schwarzen Meer und die Schlangeninsel; Serbien erhält Nisch,
Montenegro Niesich und Podgoriha bis Antivari, doch ohne einen