Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 6—10.) 113
Tabak-Enquete-Vorlage nach den Anträgen der Ausschüsse und er-
nennt die Enquete-Commission bez. der Lage der Leinen= u. Baum-
woll-Industrie.
6. Juli. (Bayern.) II. Kammer: Es hat sich in derselben
nunmehr eine äußerste Rechte (Partei Sigl) gebildet, die aber vor-
erst nur 6 Mitglieder zäylt, doch hat sie auch so den Ausschlag
zwischen der sog. bayerisch-patriotischen und der liberalen Partei in
ihrer Hand.
9. — 10. Juli. (Sachsen-Weimar.) Herzliche Feier des
25sten Regierungsjubiläums des Großhergogs. Doch thut es dem
Feste und der Stimmung Eintrag, daß der Kaiser demselben nicht,
wie er beabsichtigt hatte, beiwohnen kann.
10. Juli. Der Congreß erledigt die Frage wegen Batum
wesentlich im Sinne Nußlands, indem England in Folge seiner
Convention mit der Pforte vom 4. Juni, nachgibt. Damit ist die
eigentliche Arbeit des Congresses erledigt und erübrigt nur noch die
nähere Textirung seiner Beschlüsse.
10. Juli. (Deutsches Reich.) Der Ex-Kronprinz von Han-
nover Ernst August zeigt dem König von Preußen den Tod seines
Vaters des Ex-Königs Georg V. von Hannover an und hält alle
seine Ansprüche auf den Thron von Hannover aufrecht.
Das Schreiben, aus Gmunden datirt, macht zuerst die Angeige des
Todes Georg V. und fährt dann wörtlich fort: „In Folge dieses Todes-
falls sind alle Rechte, Prärogative und Titel, welche dem König, meinem
Vater, überhaupt, insbesondere in Beziehung auf das Königreich Hannover
zugestanden, kraft der in meinem Hause bestehenden Erbfolge= Ordnung auf
mich übergegangen. Alle diese Rechte, Prärogative und Titel halte ich voll
und ganz aufrecht. Da jedoch deren Ansübung in Beziehung auf das König-
reich Hannover thatsächliche, für mich selbstverständlich nicht rechtsverbind-
liche Hindernisse entgegenstehen, habe ich beschlossen, für die Dauer dieser
Hindernisse den Titel Herzog von Cumherkündd Herzog zu Braunschweig
und Lüneburg mit dem Prädikate „Königliche Hohei it“ Zu führen. Indem
ich auch hievon Mittheilung mache, wird besonderer Erwähnung nicht be-
dirfen, daß meine und meines Hauses in voller Selbständigkeit bestehenden
Gesammtrechte durch zeitweiligen Nichtgebrauch der dieselben bepeichnenden
Titel und Würden in keinerlei Weise aufgehoben oder eingeschräult werden
können. Ich verbleibe Euer Majestät freundwilliger Bruder und Better
Erust August. “
Die Presse ist darüber so ziemlich einig, daß bei solcher Gesinnung
des Ex-Ktronprinzen von einer Herausgabe des beschlagnahmten sog. Welfen-
sonds, dessen derselbe ziemlich bedürftig sein mochte doch keine Rede sein kann,
auch der prenßische Landtag dagu niemals seine Einwilligung geben würde
und daß selbst die Erbfolge des Prinzen in Braunschweig zweifelhaft sein
werde, da derselbe allem Anscheine nach das deutsche Reich nicht anerkenne,
wenigstens nur einen König von Preußen, aber keinen deutschen Kaiser zu
kennen scheine.
Schulihees, Curop. Geschichtskalender. XIX. Wd. 8