Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

114 Das deulsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juli 12—13.) 
12. Juli. (Bayern.) I. u. II. Kammer: einigen sich defi- 
nitiv über die Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes. 
13. Juli. Der Congreß hat sich über die Textirung seiner 
Beschlüsse geeinigt. Der Friedensvertrag von Berlin lautet demnach 
im Wesentlichen: 
Im Eingange wird die Absicht der vertragschließenden Mächte dahin 
ichnet: „Zum Besten der europäischen Ordnung und in Gemäßheit der 
Bestimmungen des Pariser Vertrages vom 30. März 1856 die im Orient 
durch die Ereignisse der letzten Jahre und durch den „Rrieg, der zu dem Ver- 
trage von San Stefano geführt hat, entstandenen Fragen zu lösen.“ Die 
Bulgarien betreffenden Bestimmungen, welche den Vertrag eröffnen, sind 
folgende: Art. 1. Bulgarien wird als autonomes und tribntäres Fürsten- 
thum errichtet, unler der Oberlehns kherrschaft Sr. M. des Sultans. Es er- 
hält eine christliche Regierung und eine nationale Miliz. Art. 2. Das bul- 
garische Fürstenthum wird im Süden durch die Balkankette begrenzt. Art. 3. 
Der Fürst von Bulgarien wird frei durch die Bevölkerung gewählt und 
durch die hohe Pforte. bestäligt, mit Zulinmung der Mächte. Kein Mit- 
glied der regierenden Häuser der europäischen Großmächte soll zum Fürsten 
von Bulgarien gewählt werden. Falls die fürstliche Würde erledigt wird, 
wird die Wahl des neuen Fürsten unter denselben Bedingungen und Formen 
vorgenommen. Art. 4. Eine nach Tirnowa berufene Versammlung der No- 
tabeln Bulgariens soll vor der Wahl des Fürsten den Plan der Regierung 
des Fürstenthums vorbereiten. In den Ortschaften, wo die Einwohner= 
schaft außer Bulgaren auch Türken, Rumänen, Griechen u. A. einschließt, 
soll den Rechten und Interessen dieser Klassen der Bevölkerung in Allem, 
was sich auf di Wahlen und den Negierungeplan bezieht, Rechnung getragen 
werden. Art. 5. Die folgenden Feststellungen sollen die Grundlage des öffent- 
lichen Rechts r Zulgarien bilden: Unterschied des religiösen Glanbens 
oder Belenntnisses soll gegen Niemanden als Ausschließungs= oder Unfähig- 
keitsgrund gelten in allen Dingen, die den Genuß bürgerlicher und politi- 
scher Rechte, die Zulassung zu oöffentlichen Anstellungen, Aemtern oder Wür- 
den oder die Ausübung der verschiedenen Berufe oder Gewerbe betreffen, wo 
es auch sein möge. Die Freiheit der öffentlichen Ausübung aller Glaubens- 
bekenntnisse wird sowohl der gegenwärligen und noch zurückkehrenden Be- 
völkerung von Bulgarien wie den Fremden gewährleistet, und der hierarchi- 
schen Einrichtung der verschiedenen Teligionegenofsenschaften oder ihren Be- 
ziehungen mit ihren geistlichen Oberhäuptern wird keine Schraule entgegen- 
gestellt. Art. C. Die vorlänfige Organisation Bulgariens wird bis zur 
Fertigstellung des Negierungsplanes durch einen kaiserlich russischen Kom- 
missär geleitet. Ein kaiserlich türlischer Kommissär so wie die von den 
Mächten, welche den gegenwärtigen Vertrag unterzeichnen, ad hoc entsandten 
Consuln werden ihm an die Seite gestellt, um den Gang dieser vorläufigen 
Verwaltung zu kontroliren. Im Falle einer Meinungzverschiedenheit zwischen 
den delegirken Consuln entscheidet die Mehrheit, und im Falle einer Mei- 
nungsverschiedenheit zwischen jener Mehrheit und dem kaiserlich russischen 
oder dem kaiserlich türkischen Kommissär entscheiden die zu einer Conferenz 
zusammentretenden Vertreter der unterzeichnenden Mächte in Konstantinopel. 
7. Die provisorische Regierung kann nicht auf mehr als neun Monate 
von dem Datum der Unterzeichnung des gegenwärtigen Vertrages an ver- 
längert werden. Wenn die organische Regierung vollständig eingerichtet ist, 
hat die Wahl des Fürsten von Bulgarien unverzüglich zu erfolgen. Sobald 
der Fürst eingesezt ist, tritt die neue Organisation in dem Fürstenthum in
	        
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