126 Das beulsche Reich und sfeine rinzelnen Glieder. (Juli 30.)
holfen haben. Die Welfen, welche im vorigen Neichslage nur durch vier
Abgeordnele vertreten waren, erscheinen im neuen als Vertreter von neun
hannoverschen Wahlkreisen. Und wie hier dem hannoverschen Partienlaris=
mus, so hat die conservative Agitation im Wahlkreise Danzig Land einem
Polen, in Freiburg und München einem Ultramontanen zum Siege verholfen,
in München in brüderlichem Zusammengehen mit den Umsturzmannern der
Sozialdemokratie.
Die reichsfeindlichen Parteien haben also, wie man erkennen
wird, schon direct durch die Auflösung des Neichslags einen Zuwachs erhalten,
denn früher zählte das Centrum mit den welfischen Hospitanten 96, die
Sozialdemokraten 12, die Polen 14, die klerikalen elsaß-lothringischen Pro-
testler 11 Mitglieder; die Opposilion versügte demgemäß mit Hinzuzählung
von 3 Demotraten und des Tänen Kryger über 137 Mitglieder. Am 9. Sep-
tember wird sie 142 Abgeordnete zählen, ltroydem die Zahl der Sozialdemo-
traten von zwölf auf neun veruntergegangen ist.
Was unn die Stellung des neuen Neichstages zur Regie-
rung, insbesondere zu dem Eutwurf für das Sozialistengeseb angeht, so wird
nicht bezweifelt werden können, daß, zumal nach dem Vorgehen der preußischen
Regierungsblätter während der Wahlbewegung und bei der politischen Stellung
des prenßischen Ministers des Innern, die Fortschrittspartei ebenfalls in
Zukunft der Opposition wird zugegählt werden müssen. Dieselbe nähert sich
demgemäs in ihrer Gesammtzahl 167 der abjoluten Mehrheit des Hauses (199)
bis auf 32, oder, wenn man die vier elsässischen Antonomisten, die vielleicht
auch gegen das Sozialistengesehh stimmen werden, mitzählt, bis auf 28 Stim-
men. Ihr gegenüber fücht die geschlossene Masse von 110 Conservativen und
Freiconservativen, auf welche die Regierung bei dem zunächst auf der Tages-
ordnung des Neichstages stehenden Punkte mit Sicherheit rechnen kann. Es
liegt demgemäß klar zu Tage, daß, namenllich auch bei der zweifelhaften
Haltung einzelner liberalen „Wilden", die Negierung, wenn sie in
Soygialistenfrage Erfolg. haben will, genöthigt ist, auch auf den in letzter Zeit
so viel geschmähten linlen „Lasker'schen“ Flugel der Nationalliberalen zurück-
zugreifen und deisen Unlerstützung zu suchen. Jedenfalls ist ihre Arbeit, da
mehrere Abgeordnete sich in ihren Wahlreden von vornherein gegen jedes
Ausnahmegesetz mit Entschiedenheit ausgesprochen haben, im neuen Reichs-
tage auf das höchste gefährdet, und es bedarf der größten Mäßigung und
eines vertrauenvollen Eutgegenkommens von Seiten der Negierung, vorzugs-
weise gegen die Führer der nationalliberalen Partei, wenn das neue Sozialisten-
gesetz nicht scheitern soll, wie das erste am 24. Mai. Bei denselben Männern,
welche die Hauptzielpunkte der Angriffe der freiwillig gouvernementalen Presse
gewesen sind, bei Bennigsen, Forckenbeck, Stauffenberg und Lasker, liegt die
Entscheidung, und sie bietet dem deutschen Bolke in ihrer Vereinigung die
Bürgschaft dafür, daß die Vorlage der preußischen Regierung mit vollstem
Ernst geprüft werden, und wenn es ihrer Ueberzeugung nach möglich, ein
Conflict mit der Regierung vermieden werden wird.
30. Juli. (Preußen.) Der Bischof von Osnabrück f. Er
ist einer der vier katholischen Bischöfe, welche im preußischen Staate
überhaupt noch im Amte sind. Seit 1866 Vischof, verstand er es,
den Conflikten mit dem Staate auszuweichen und sich seiner Diö-
cese zu erhalten, ohne eine prinzipielle Anerkennung der Maigesetze
auszusprechen. Jetzt stehen in Preußen nur noch drei Bischöfe
aufrecht.