Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Tas drlsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oct. 9—16.) 153 
ganen Gesegebung im conservakiven Sinn erfolgen werde. Fürst Bis- 
: .. Zur Sache selbst, und zwar zunächst zu § I, bemerke ich, 8 ich 
einer jeben Förderung der Lage der Arbeiter #cbechan bin, also auch den 
Vereinen derselben, wenn sie in der That ihren Zwerken dienen, aber nicht, 
wenn diese Vereine den Staat, die Gesellschaft und das Eigenthum unter= 
graben. Sobald uns die Sozialdemokratie einen positiven Vorschlag zur 
Besserung der Lage der Arbeiter machen wollte, würde ich den Vorschlag 
prüfen. Daran fehlt es aber. Wir stehen der reinen Negation, principiell 
der Untergrabung der Staats= und Gesellschafteinstände gegenüber. Man 
gebe mir nur den Schalten eines positiven Vorschlags zur Verbesserung der 
Lage der Arbeiter; aber sie haben keinen, sie wissen keinen. Das ist ihr 
giensiimust Sie haben leichtes Spiel mit den halbgebildeten unwissenden 
se nen sie leicht alle Ideale verwischen, jeden Glauben au 
Er#, sote Anh#ngtichtet. an das Vaterland, an die Familie vernichten. 
Wenn wir uns fragen, wie das Evangelium der Negalion in Deutschland 
gerade so schnell Wurzel fassen konnte, so gelangen wir zu dem Jahre 1870. 
Damit stehen wir vor dem Vandalismus der Pariser Commune. Nachdem 
diese durch die Regierung überwunden war, sah die Sozialdemokratie, daß 
es auf anderem Wege zu versuchen jei, daß sie es in Frankreich nicht fort- 
führen könne, sondern sich nach Deutschland wenden müsse, wo sie einen 
geeigneteren Boden suchte und fand, im Lande der gutmüthigen Richler und 
unzufriedenen Leute. Man kommt leicht durch geschickte Mittel dau, auf 
die gefährlichen Instinkte des gemeinen Mannes zu wirken. Preßgesetze und 
milde Strafgesehe thun dabei das Ihrige. Niemand glaubte mehr, daß die 
Todesstrafe bei uns vollstreckt werden könnte. Ich bin dem Kronprinzen 
dankbar, daß er in dieser Beziehung nicht Gnade hat vor Recht ergehen 
lassen. Ich sehe in dem Treiben der sofialdemokratischen Vereine das Motiv 
für die schlimme Lage unserer wirlhschaftlichen Zustände. Diese Vereine 
sördern die Arbeitslosigkeit. Nun deule man doch an den Girkel der Ver- 
brechen, die sich daraus enlwickeln und in Mordversuchen an einem Monarchen 
Sivieln. der sein ganzes langes, thatenreiches Leben mit Hintanfebzuung seines 
Lebens und seiner Krone an das Wohl jeines Volkes gesetzt hat. An ein solches 
Verbrechen reicht ja kein Gedanke heran, und doch ist es geschehen. Da will 
man leine Gefahr sehen und die Bedürfnißfrage leugnen? Freilich hat ein 
Artikel der „Nationalzeitung" gesagt, alle Parteien müßten sich hier ver- 
einigen, der Regierung die Mittel zur W zu gewähren; doch sind manche 
Parteien bei ihrer Negation verblieben, nur Häuel hat den Vann der Ne- 
gation gebrochen und posilive Vorschläge gemacht. Im Uebrigen ist jedoch 
die Fortschritlspartei und das Centrum absolnt abgeneigt, die Regierung jeßt 
zu unterstützen. An die anderen Frattionen kann ich nur die Bitte richten, 
sich zu verständigen, wenn sie dem Lande einen D Dienst erweisen wollen. Wenn 
wir den Erwarkungen der Wähler näher treten, so befinden sich die Regie- 
rung und diejenigen, die mit ihr gehen wollen, in einer außerordentlich 
schwierigen parlamentarischen Lage. Das parlamentarische System fungirt 
leicht und elegant, wenn nur zwei Parteien bestehen, wie es in England der 
Fall ist. Es trat auch dort einmal eine Zeit ein, wo — man kann wohl 
sagen fünf Fraklionen bestanden, die sich freilich nicht zu dem gegen- 
seitigen Haß aufgeschwungen hatten, den die Angehhrigen der deutschen 
Fraktionen aus dem Corpsleben ihrer Universitälszeit mit herüberzunehmen 
pflegen, und die immer in erster Linie die Landesinteressen und erst in 
zweiler Linie die Nivaliläten und Bedürfnisse der Fraktion in Anschlag 
brachten. Es gab damals in England keine anderen Ministerien als Coa- 
lition ministerien, aber die Engländer haben eingesehen. daß das constitutio- 
nelle Princip dabei leidet, und ihr gesunder Sinn hat sie wieder dahin ge-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.