Das deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Oct. 8—9.) 159
Centralbehörde, sondern der Kaiser und der Bundesrath den Belagerungs-
zustand verhängen, darüber auch nicht dem Neich-lag Nechenschaft gegeben,
sondern nur Mittheilung gemacht wird. Windthorst (ultr.) hält den
Paragraphen unvereinbar mit den bayerischen Reservatrechten. Minister
Enlenburg ist für die Commissionsvorschläge mit Ackermann's Amende-
ment. Der Neichstag beschließt also. Gegen die Aenderungen der Conser-
vativen stimmen von den Ntionalliberalen nur Lasker, Schlieper, Brann
und Schröder-Friedberg. § 21 und § 22 werden nach der Commissions-
fastung angenommen, c ist * drittehalbjährige Geltungsdauer festgeseht.
8. October. (Bayern.) Der katholische Volksverein beschließt
in einer Generalversammlung unter dem Vorsitze und auf den An-
trag des Dr. Sigl, angeblich wegen des bevorstehenden Sozialisten-
gesetzes, seie Auflösung:
1 Erwägung, daß die Tendenz des Sogzialistengesetzes nicht bloß
die Sognne sondern auch und vielleicht mehr noch die katholisch-politischen
und particularistischen Vereine zu treffen geeignet erscheint, eine frühere oder
spätere Anflösung des katholischen Vollsvereins demnach als wahrscheinlich
zu erachten ist; daß die poligeiliche Auflösung eine spätere Wiederconstitni-
rung unmöglich machen würde; daß mit der Auflösung des Vereins die
Confiscation seiner Fahne und seines Vermögens verbunden wäre; in weiterer
Erwägung, daß unter den gegenwärtigen politischen und lolalen Verhäll-
nissen ein Feld fruchtbarer und ersprießlicher Thätigkeit im Sinne des Ver-
eins überhaupt nicht gegeben erscheint; mit Rücksicht, daß nach einer frei-
willigen Auflösung bei Aenderung der bezeichneten Verhöltnisse der katholische
Volksverein sich jederzeit wieder constituiren lam
9.—10. October. (Deutsches neich.) Deutscher Protestanten-
tag (elfte allgemeine Jahresversammlung der deutschen Protestanleu-
vereine) in Hildesheim. Der Präsident derselben, Dr. Techow
(Berlin), eröffnet dieselbe mit einer Ziel und Bestrebungen der Pro-
testantenvereine schildernden Ansprache, worauf die Versammlung
über die kirchliche Lehrfreiheit und das Gemeinderecht, wogu die Fälle
Hoßbach und Kalthoff in Preußen die nächste Veranlassung gegeben
haben, verhandelt und eine dießbezügliche Resolution faßt.
Zuerst spricht Prediger Nichter aus Mariendorf bei Verlin als
Berichterstatter über die vorgelegte Frage, indem er ausführt: Ueber die
kirchliche Lehrfreiheit hat der Protestahtenverein seit seinem Bestehen wieder-
holt verhandelt und noch 1872 in Osnabrück gegen den Bekennluißzwang
Verwahrung eingelegt. Es ist nicht unsere Absicht, heute früher Gesagtes
zu wiederholen; aber es handelt sich um die Abweisung von neuerlichen
Angriffen, und es gilt zu sorgen, daß der freie Lauf des Evangeliums nicht
gehemmt werde. In den meisten deutschen Landeslirchen herrscht Friede,
nur leider nicht im Königreich Preußen. In der prenßischen Landeskirche
ist seit der Predigt Hoßbach's Schlimmes Feichehen; die Orthoborxen haben
sich zusammengeschlossen und sind daran, die Schranken der Bekenntnisse in
der unirten Kirche wieder aufzurichten. Selbst der Präsident des Ober=
kirchenraths, Herrmann, ist verdrängt worden, und mit ihm die ganze
Mittelpartei. Bei der Nichtbestätigung Hoßbach's hieß es: es handle sich
um den Schuh eines besonderen Mekenutnißstandes in der Verliner Jacobi-
Gemeinde, und in der Kalthoff'schen Sache wurden bereits die Bekenntniß-