Das beulsche Reich und seinr einzelnen Glieder. (Oci. 17.) 167
Ausweisung aus dem Wohnort nur erfolgen kann, wenn der Auszuweisende an
dem # nicht 6 Monate seinen Wohnsitz# gehabt hat. Die Necurs-Instanz
— §&. 19 — soll aus 10 Mitgliedern bestehen, das zehnte und damit den
Vorstyenden ernennt der Kaiser direct; bezüglich der übrigen nenn M itglieder
behält es bei den Beschlüssen zweiter' Lefung sein Bewenden. Endlich stim-
men nach Annahme der obigen drei Auträge auch die Conservativen der
Beschränkung des Gesehzes auf 2 ½ Jahre zu. Die nationalliberale Fraktion
nimmt diese Verschläte einstimmig an, ebenso die deutsche Reichspartei, die
Deutschconservativen mit Mehrheit. Die Abänderung in § 16 ist zweisellos
eine erhebliche Verbesserung der Commissionsfassung, da die Worte „anußer-
halb ihres Wohnsites“ zu Umgehungen des Verbotes der Ausweisung geeignet
waren. In den §§ 6, 16 und 22 geben somit die Conservativen rückhalts-
los nach. Der Hinzutritt des vom Kaiser zu ernennenden Vorsibenden der
Reichscommission, welche als Recursinstang fungirt, ist seitens der National=
liberalen auch nur ein formelles Zugeständniß, da die Zusammensehung der
Commission dadurch nicht modificirt wird.
I7. October. (Deutsches Reich.) Reichstag: die sog. „volks-
wirthschaftliche Vereinigung des Reichskags“ erläßt folgende Erklärung
resp. Programm betr. die von Deutschland einzuschlagende Handels-
politik:
„In den weitesten Kreisen des dentschen Reichs sieht man mit Span-
nung einer endlichen klaren Entschließung der verbündeten Regierungen rück-
sichtlich der Grundlagen des deutschen Handelsverkehrs mit dem Auslande
entgegen. Es lag deßhalb nahe und ist vielfach verlangt worden, daß der
augenblicklich versammelte deutsche Neichstag die hiermit zusammenhängenden
Fragen behufs Feststellung der handelspolitischen Wege und ziele der Neichs-
regierung in den Bereich seiner Verhandlungen zöge. Die unterzeichnelen
Reichstagsmitglieder geben dem Bedauern Ausdruck, daß ein solches Vorgehen
nicht möglich war, weil der Zweck der dießmaligen Zusammenberufung des
Reohstan üviglich der Beschlußfassung über das Sozialistengesetz galt und
weil die Erhebungen über die wirthschaftliche Lage und die Lebensbedin-
gungen mehrtrer der wichtigsten Gewerbszweige Deutschlands noch nicht ab-
geschlossen find. Um aber dem Mißverständniß vorzubengen, daß es in der
Vertrekung des deutschen Volles au dem nöthigen Interesse für berechtigke
handelspolitische Forderungen des Landes und an dem jesten Willen fehle,
diese Forderungen zur Geltung zu bringen, halten wir uns zu der Erklärung
verpflichtet, daß wir lediglich aus den angedeuteten Gründen während der
gegenwärtigen Session die von dem Lande erwartete Anregung nicht gegeben
haben und nicht geben konnten, daß wir aber angesichts der Handelspolitik
der meisten Deulschland umgebenden Länder — in Erkenntniß der den Volks-
wohlstand schädigenden Mängel des deutschen Zolltarifs und bei der Forl-
dauer der auf der deutschen Gewerbthätigkeit und Landwirthschaft lastenden
Krisis — eine auf das Resultat sorgfältiger Prüfungen und sachgemäser Ab-
wägungen gestüßte Reform des deutschen Zolltarifs für nothwendig
hallen und demgemäß entschlossen sind, für dieselbe in der nächsten ordenk-
lichen Session des deutschen Reichstags einzutreten. Obschon von verschiedenen
handelspolitischen Gesichtspunkten ausgehend, finden sich die Unterzeichneten
doch in dem Grundgedanken vereinigt, daß die schwierigen Fragen der deutschen
Handelspolitik nicht lediglich nach den Schlagwörtern von Freihandel und
Schutz'oll gelöst werden können, daß es vielmehr entscheidend darauf an-
kommt, die wirklichen und vermeintlichen Gegensähe der Interessen mit Sach-
kenntniß, Umsicht und Vaterlandsliebe auszugleichen.“