Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Vas deulsche Reich und seine rinzeinen Glieder. (Nov. 11—12.) 179 
lischen Religionsunterrichts im Namen und Auftrage des Staakes 
erklärt die Versammlung nach der einstimmig kundgegebenen Meinung 
der Anwesenden für eine „schwere Verletzung des der Kirche schul- 
digen Gehorsams“. 6 
11. November. (Deutsches Reich.) In einem immerhin 
beachtenswerthen Theile der norddeutschen Presse tritt die Mißstim- 
mung gegen die Leitung des Marinedepartements seit dem Unter- 
gange des „Großen Kurfürsten“ und den Vorgängen, die sich daran 
geknüpft haben, immer unverhüllter zu Tag. 
11. November. (Preußen.) Dem Verlangen der Regierung 
entsprechend, entfernt der Magistrat von Königsberg die seit einiger 
Zeit im Sitzungssaale der Stadtverordneten ausgestellte Büste des 
Dr. Johann Jacoby, des Verfassers der „Vier Fragen“, aus dem- 
selben. Eine Remonstration der Stadtverordnetenversammlung gegen 
die Maßregel wird von der Regierung abgewiesen. 
12. November., (Deutsches Reich.) Der Reichskanzler regt 
beim Bundesrathe eine Nevision des allgemeinen Zolltarifs im Sinne 
eines größeren Schutzes der deutschen Industrie an, indem er an 
denselben folgendes Schreiben richtet und darin auf die Niedersetzung 
einer Commission unter Beiziehung von Sachverständigen anträgt: 
„Die finanziellen volkswirthschaftlichen und handelspolitischen Ver- 
hältnisse, welche auf die gegenwärtige Gestaltung des Vereins-Zolltarifs von 
entscheidendem Einflusse gewesen sind, haben im Laufe der letzten Jahre wesenl- 
liche Veränderungen erfahren. Die finanzielle Lage des Reiches wie der ein- 
zelnen Bundesstaaten erheischt eine Vermehrung der Reichseinnahmen durch 
stärkere Heranziehung der dem Reiche zur Verfügung stehenden Einnahme- 
quellen. Bei den im vorigen Sommer zu Heidelberg stattgehabten ver- 
traulichen Besprechungen über die im Reiche anzustrebende Steuerreform ist 
denn auch die Ueberzeugung einmithig zum Ansdruck gelangt, daß das System 
der indirekten Besteuerung in Deutschland weiter auszubilden sei, und es ist 
daselbst über die vorzugsweise ins Auge zu fassenden Finanzartilel allseiliges 
Einverständniß erzielt worden. Anßerdem erfordert die derzeitige Lage der 
deutschen Industrie so wie das mit Ablauf der Haudelsverträge in den großen 
Rachbarstaaten und in Amerika zu Tage getretene Bestreben nach Erhöhung 
des Schutzes der einheimischen Production gegen die Milbewerbung des Aus- 
landes eine eingehende Untersuchung der Frage, ob nicht auch den vaterländi- 
schen Erzeugnissen in erhöhtem Maße die Versorgung des deutschen Marktes 
vorzubehallen und dadurch auf die Vermehrung der inländischen Production 
hinguwirken, sowie zugleich Verhandlungematerial zu schaffen sei, um später 
zu versuchen, ob und in wie weit sich im Wege neuer Verträge die Schranken 
beseitigen lassen, welche unsere Exportinteressen schädigen. Die Ergebnisse der 
im Gange befindlichen Enqueten über die Lage der Eisenindustrie, sowie der 
Baumwoll= und Leinenindustrie werden nützliche Grundlagen schaffen für die 
Beantwortung der Frage der Zweckmäßigkeit einer Erhöhung oder Wieder- 
einführung von Zöllen auf die Erzeugnisse der in Frage slehenden Industrien. 
Ueber einige weitere bereits in Anregung gekommene Aenderungen des aulo- 
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