Das deuische Reich und seine eintelnen Glieder. (Dec. 12.) 201
diesem Zustand abzuhelfen. Unter folchen Eindrücken ist wohl erklärlich,
daß auch Factoren, die der Staatsregierung sonst nahe slehen, diesem Ein-
druck unterliegen, und den großen Gesichtspunkt, um den es sich handelt,
zeitweise verlieren; ich sage mit Ruhe nur geilweise: bei diesen Elementen
wird die kühlere Erwägung immer wieder zum Durchbruch kommen, davon
ist die Staatsregierung ebenso überzeugt, wie sie von einem anderen überzeugt
war, nämlich davon, daß solche Stimmungs umschläge möglich sind, und die
Staats regierung hat mit aus diesem Grunde seiner eit die Schritte, um die
nothwendigen Gesetze zum Abschluß zu bringen, so bald als möglich gethan.
M. HH.! Von der Nothwendigkeit dieses Abschlusses ist sie auch in diesem
Augenblicke noch durchdrungen. Sie glaubl aussprechen zu dürfen,. daß ge-
rade der Besih dieser Gesete eine unabweisliche Nothwendigkeit für sie war,
wenn sic überhaupt mit Ernst Zu einem gedeihlichen Frieden kommen will.
Darum, m. OH., wird die Staateregierung diese Position, solange eben nicht
die Voraussehungen erfüllt worden sind, von denen ich spreche, sondern die
Erfüllung noch gesucht wird. festhalten. Ja, m. HH., festhalten, auch gegen
die Strömung!“ (Lebhafter Beifall links und rechts, Zischen im Centrum.)
12. December. (Deutsches Neich) Bundesrath: genehmigt
den Antrag des Neichskanglers betr. Revision des Zolltarifs und
die Bestellung einer dießfälligen Commission nach den Anträgen der
Ausschüsse, doch indem er aus den Motiven die schutzöllnerischen
Anschauungen des Antrags enkfernt.
Der Wortlant des Beschlusses ist also durchaus ladellos. Die Com-
mission, welche die Tarifrevision in die Hand nehmen soll, ist nach keiner
Richtung hin beschräult; der Umfang und die Richtung der Revision ist in
keiner Weise angedeutet. Die Achillesferse des Beschlusses aber ist die Be-
stimmung über die Zusammensetzung der Commission. Dieselbe besteht aus
15 Mitgliedern. Davon jollen drei von dem Reichskanzler aus dem Kreise
der Reichsbeamten, drei von der prenischen Regierung, zwei von der bayeri-
schen und je eines von Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, Meckleuburg,
Sachsen-Weimar und den Hansestädten bestellt werden. Mit anderen Worten:
da Neichskanzler und preußische Regierung in der Tariffrage nur einer An-
sicht sein können, so verfügen Preußen und Bayern in der Commission über
die Mehrzahl der Stimmen, das heißt über 8 von 15. In Bundesraths=
Sreisen hat dieser Vorschlag große Aufregung hervorgerufen. Vor allem steht
diese Zusammensetzung der Gommission in entschiedenem Widerspruch mit den
Voraus esehungen, welche bisher bei der Zusammensetzung von Commissionen
festgehalten worden sind. Man hat sich stets bemüht, den größeren Bundes=
staaten wenigstens die Möglichkeit einer entscheidenden Mitwirkung offen zu
halten, und zwar in Uebereinstimmung mit dem Stimmverhältniß im Bundes-
ralh und dessen ständigen Ausschüssen. Im Bundesrath ist stets das Zu-
jammengehen von mindestens vier Regierungen erforderlich, da selbst die drei
größten Staaten (Preußen, Bayern und Sachsen) immer nur über 28 Stimmen
verfügen, während 30 Stimmen zu der Mehrheit erforderlich sind, desgleichen
bedars es in den sländigen Ausschüssen, in denen 7 Regierungen mit je einer
Stimme vertreten sind, des Zusammengehens von 4 Mitgliedern, um einen
(Mehrheils-„Beschluß zu erzielen. In der Commission für die Revision des
Jolltarife dagegen genügk, wie bereits erwähnt, die Uebereinstimmung der
deutsch-preußischen und bayerischen Mitglieder um die für die Zukunft unserer
Handele= und Wirthschaftspolitik wichtigiten Beschlüsse zu jassen — und man
ist. der Meinung, daß die bezeichneten 8 Stimmen für die von dem Reichs-