Pa denlsche Reich und seine eintelnen Glieder. (Dec. 13.) 203
liegt nunmehr ein im preußischen Staatsministerium ausgearbeiteter
Eniwurf eines allgemeinen Reichseisenbahngesetzes vor. Von ent-
scheidender Bedeutung ist darin der § 2, welcher die Competenz
betrifft.
Terselbe lanket: „Die Aufsicht über das Eiseubahnwesen sleht dem
Reiche zu, soweit dieselbe nicht den Landesregierungen nach ausdrüllicher
Bestimmung dieses Gesetzes verbleibt: alle sonstigen den Bundesregierungen
nach geseblichen, vertragsmäßigen, lonzessionsmäßigen oder statutarischen Be-
sicemnkbergen zustehenden Befugnisse gehen, Csoweit sie das Gebiet der Reichs-
aufficht belressen, auf das Reich über. Die Reichsanssicht über das Eisen-
bahmwesen schließt innerhalb ihrer Zuständigkeit die Landesaufsicht aus.“ Für
den Fall des Zustandekommens der Gesetzes soll die oberste Neichseisenbahn=
aussichisbehörde auch die Verwallung der elsaß-lothringischen Eisenbahnen
überwiesen erhalten. Die Reservation hinsichtlich eventueller Vestimmungen
des Gesetzes zu Gunsten von Landerregierungen bezieht sich natürlich auf das
Verkehrsanstalteureservatrecht von Bayern und Würltemberg; die bezüglichen
Ausnahmsbestimmungen der Versailler Verträge sind in ihrer Wirlsamkeit
also schon in diesem Enlwurfe vorgesehen. Das Gesetz wird in seiner Ab-
wendung von der Idee des Eisenbahnerwerbes für das Reich wie in seiner,
abgesehen von den soeben erörterten Ausnahmen, scharfen Fassung des Reichs-
eisenbahnaufsichtsrechtes als ein entschieden glücklicher Griff beurlheilt und
würde mit seinem Zustandekommen manche Leiden des deutschen Verkehrs=
wesens heilen.
13. December. (Preußen.) Abg.-Haus: Berathung des
Justizetats: Bei dem GCapitel Oberverwaltungsgericht fragt Hänel
an, in welcher Meise und nach welchem Plane der Minister die
Verwaltungs-Reorganisation fortzuführen refp. auf die westlichen
und neuen Provingen auszudehnen gedenke; ferner, wann die Vor-
legung der Städte= und Landgemeinde-Ordnung zu erwarten sei.
Graf Eulenburg erwidert: Eine ganz präcise Anlwort sei angen-
blicklich nicht möglich. Er gebe zu, daß Fortschrilte in der Neorganisation
jeit längerer Zeit nicht gemachl worden seien; von plößlicher Einstellung in
Folge irgendwelcher Ereignisse sei indeß nicht die Rede. Den vollen Plan
mit allen Stadien vorzulegen, sei unthunlich. Eine Neorganisation der
höheren Verwaltungebehörden im Zusammenhange mit den unteren Stufen
werde jelbstverständlich erfolgen. Betreffs der Städte= und Landgemeinde-
ordnung erinnere er an die Erklärung des Ministers Friedenthal, daß die
Vorlage derselben als nothwendige Voraussehung der Fortführung des Reorga-
nisationswerkes gellen müsse. Die Vorarbeiten zur Fortführung des Neorga-
nisationswerkes seien unausgesettt gefördert, einige davon zum Abschluß ge-
bracht. Wenn es auf Grund dieser Vorarbeiten möglich sei, einen die gesammte
Aufgabe umfassenden Plan vollkommen festzustellen, werde er nicht anstehen,
denselben zu entwickeln und wo möglich einige gesetzgeberische Arbeilen als
Resultat vorsuiegen Häuel äußert sich unzufrieden mit der Zurückhaltung
des Ministers; v .Nauchhaupt warnt vor Uebereilung in Weiterführung
der Verwaltung- ereform. Nach Ansicht Richter's geht aue der Erklärung
des Ministers die völlige Sistirung der Reorganisalion hervor. Minister
Graf Eulenburg verwahrt sich gegen diese Auslegung.
13.—20. December. (Braunschweig.) Eröffnung des Landtags.