208 Das dentsche Reich und seine rinzelnen Gtieder. (Dec. 15.)
Eingangsabgaben auch nur durchschnitllich 5 Prorent des Werthes betrügen,
so würde sich die Vermehrung der jährlichen Zoll-Einnahme auf 70 Millionen
Mark belaufen. Dieser Vermehrung der Zoll-Einnahme würde eine wesent-
liche Erhöhung der ZJoll-Erhebungs= und Verwaltungskoslen nicht gegenüber-
stehen, da eine wenn auch nur summarische Nevision der die Zollgrenze
passirenden gollfreien Güter jetzt ebenfalls stattfindet. Die bestehenden Ein-
richtungen an der Zollgrenze und im Innern würden voraussichtlich auch
zur Vergollung aller jeht zollfreien, künftig zollpflichtigen Gegenstände aus-
reichen oder doch nicht in sehr erheblichem Maße zu erweilern sein; sie
würden durch Vermehrung der gollpflichtigen Artikel vielfach nur noch besser
ausgenützt und einträglicher gemacht werden, als es jetzt der Fall ist. Wenn
hiernach vom finanziellen Gesichtepunlt aus, auf welchen ich das Haupt-
gewicht lege, die von mir bejürwortete Wiederherstellung da Negel allgemeiner
Zollpflicht sich empfiehlt, so läßt ein solches System sich meines Erachlens
auch in volkswirthschaftlicher Beziehung nicht anfechten. Ich lasse dahin-
gestelll, ob ein Zustand vollkommener gegeuseitiger Freiheis des internatio-
nalen Verkehrs, wie ihn die Theorie des Freihandels als Ziel vor Augen
hal, dem Interesse Deutschlands eutsprechen würde; solange aber die meisten
der Länder, auf welche wir mit unserm Verlehr angewiesen sind, sich mit
Zollschranken umgeben und die Tenden) zur Erhöhung derselben noch im
Steigen begriffen ist, erscheint es mir gerechtfertigt und im wirthschaftlichen
Jnleresse der Nation geboten, uns in der Befriedigung unserer sinangiellen
Bedürfnisse nicht durch die Besorgnisse einschränten zu lassen, daß durch die-
jelben dentsche Producte eine geringe Bevorzugung vor ausländischen erfahren.
Der jetzt bestehende Vereinszolltarif enthält neben den reinen Finanzzöllen
eine Reihe von mäßigen Schutzzöllen für bestimmte Industriezweige. Eine
Beseitigung oder Verminderung dieser Zölle wird zumal bei der gegenwärti-
gen Lage der Industrie nicht rathsam erscheinen; vielleicht wird sogar bei
mauchen Artikeln im Interesse einzelner beiondern leidenden Zweige der hei-
mischen Industrie, je nach dem Ergebniß der im Gange befindlichen Enqucten,
eine Wiederherstellung höherer oder Erhohung der gegenwärtigen Zollsägze sich
empfehlen. Schutzzölle für einzelne Industriezweige aber wirken, zumal wenn
sie das durch die Rücksicht auf den finanziellen Ertrag gebotene Maß über-
schreilen, wie ein Privilegium. und begegnen auf Seiten der Vertreler der
nicht geschützten Zweige der Erwerbsthäligkeit der Abneigung, welcher jedes
Privilegium ausgesetzl ist. Dieser Abneigung wird ein Nollsystem nicht be-
gegnen lönnen, welches innerhalo der durch das finanzielle Interesse gezoge-
nen Schranken der gesammten inländischen Production einen Vorzug vor der
ausländischen Production auf den einheimischen Markt gewährt. Ein solches
System wird nach keiner Seite hin drückend erscheinen können, weil seine
Wirkungen sich über alle producirenden Kreise der Nation gleichmäßiger ver-
theilen, als es bei einem System von Schupzzöllen für einzelne Industrie-
zweige der Fall ist. Die Minderheil der Vevöllerung, welche überhaupt
nicht producirl, sondern ausschließlich ronsumirt, wird durch ein die gesammte
nationale! broduction begünstigendes Zollsyslem scheinbar benachtheiligt. Wenn
indessen durch ein solches System die Gesammtsumme der im Inlande er-
zeugten Werthe vermehrt und dadurch der Volkswohlstand im Ganzen ge-
hoben wird, so wird dieß schließlich auch für die nicht producirenden Theile
der VBevölkerung, und namentlich für die auf festes Geldeinkommen an-
gewiesenen Staals= und Gemeindebeamten von Nußen sein; denn es werden
der Gesammtheit dann die Mittel zur Ausgleichung von Härten zu Gebote
stehen, falls sich in der That eine Erhöhung der Preise der Lebensbedürfnisse
aus der Ausdehnung der Zollpflichtigleit auf die Gesammteinfuhr ergeben
sollte. Eine solche Erhöhung wird jedoch, in dem Maßf, in welchem sie von