212 Das deulsche RNeich und seine einzelnen Glieder. (Dec. 20.)
Uebertragung der Aussichtsrechte über das preußische Eisenbahnwesen
auf das Reich.
Die Bedentung der Neuorganisation des Handelsministeriums ist nicht
zu verkennen. Die getroffene Entscheidung ist für die Organisation des
Reiches mindestens ebenjo wichtig, wie für die Organisation Preußens. Die
Personalunion, in welche das preußische Handelsministerium im engeren
Sinne nunmehr mit dem Posten eines Reichskanzleramtspräsidenten tritt, gibt,
wie ein Blatt sich ausdrückt, „in That und Wahrheit dem Handelsamt des
Deutschen Reiches die Bettung und Fundamentirung, und die Resolution,
die preußische Staatsaufsicht über die Eisenbahnen dem Reich zu übertragen,
bereitet für das Neichskangleramt eine ahnliche Unterlage vor.“ Damit
eröffne sich zugleich mindestens eine Aussicht auf eine durch keine eigenen In-
teressen gebundene, allen gleichmäßig gegenüberstehende
Behörde. Bei dem von dem Abg.-Hause gebilligten Vorschlag tritt die Ten-
denz, einen besonderen Gienbasgen#nbser auszustatten, wesentlich in den
Hintergrund. Das überbürdete Ressort wird durch Abtrennung der Ab-
theilung für Handel und Gewerbe entlastet, aber es bleiben die Bau-Abtheilung,
die Abtheilung für Berg= und Hütten= 2c. Wesen mit den Eisenbahnen ver-
eint, und die spätere Uebertragung der Aufsicht über das gesammte Eisen-
bahnwesen auf das Neich ist in so bestimmter Form ins Ange gefaßt, daß
ihre demnächstige Durchführung nicht angezweifelt werden darf. Es hängt
diese F. Frag wisderum zusammen mit dem Schicksal des Reichseisenbahnprojects.
Sobald dasselbe seine förmliche Erledigung gefunden hat, bleibt die Rege-
lung des dem Reiche in der Neichsverfassung vorbehaltenen Aussichtsrechts
über das Eisenbahmwesen allein übrig. Damit ist aber gerade dassenige
erreicht, worauf man von vornherein den größten Nachdruck gelegt hatte.
Wenn bei der Verhandlung im Abg.-Hause der Abg. Migquel erklärte: die
Vorlage hätte im Wesentlichen das geboten, was bei der Berathung im März
d. J. von der Regierung verlangt worden wäre, so fällt diese Erklärung um
so mehr ins Gewicht, als sie aus dem Munde desselben Abg. kommt, der
damals die Regierungsvorlage nachdrücklich bekämpfte.
20. December. (Preußen.) Abg.-Haus: die Commission
zur Vorberathung des Communalsteuergesetzes beschließt,
daß 1) die Neueinführung der Schlachtsteuer als Gemeinde-Abgabe
unzulässig sei; 2) daß auch die Dienstgrundstücke der Geistlichen, Kirchen-
diener und Elementarlehrer den Gemeinde-Abgaben unterliegen sollen, und
3) die im Dienste befindlichen, sowie die in den Ruhestand versetzten und
pensionirten Reichsbeamten, unmittelbaren und mittelbaren Staatsbeamten
und Hofbeamten. sowie Geistliche, Kirchendiener und Elementarschullehrer mit
ihrem gangen Diensteinkommen, und zwar bis 1500 Mark mit 2 Proec.,
über 1000 Mark bis zu 4 Proc. des Gehalts, zu den Gemeinde- Abgaben
sollen herangezogen werden können. Damit ist der principielle Gegensatz
gegen die Regierungsvorlage aufrechterhalten.
20. December. (Bayern.) Schluß der Session der Kreis-
vertretungen, Landräthe.
Dieselben waren sämmtlich von einer stillschweigend angenommenen
Parole, dem Vorsatz möglichster Sparsamkeit, beherrscht. Der anderwärts
ausgesprochene Grundsatz: „Langsames Tempo in der Gesetgebung“ ist von
den Landräthen praktisch übersetzt worden in: „Langsames Tempo im Geld-
ausgeben“ und 1 folgerichtig: in der Zustimmung zu Neuorganisationen, welche
Geld kosten. Die Procente der Kreisumlagen für 1879 sind nach den Land-