II.
Die Oesterreichisch-Anugarische Monarchie.
1. Jannar. (Ungarn.) Der Ministerpräsident Tisza nimmt,
von Verlin zurückgekehrt, die Nenjahrswünsche der Regierungspartei
entgegen.
Die Lage beider ist eine schwierige und für beide vielfach bedenkliche,
sowohl mit Bezug auf die orientalische Frage, die für Ungarn eine ganz
andere Bedentung hat als für Oesterreich, wie mit Bezug auf den Aus-
gleich der beiden Reichshälften, der noch lanze nicht perfekt ist. Betresfend
die orientalische Frage, weiß Ungarn, welche Interessen es in derselben zu
wahren hat. „Ungarn lebt von der Aufrechthaltung des heutigen Zustandes
im Orieut. Das magyarische Volk ist klein an Zahl; nur durch seine Zähig-
keit hat es sich bisher mitten in einem VBölkergemenge, das aus lanter Split-
tern größerer Volksfragmente besteht, compact erhallen. Es ist noch keines-
wegs historisch erhärtet, daß die Erhaltung des magyarischen Volksthums
flavischen Neugestaltungen im Oriente ebenso trotzen werde, wie den bicsheri-
gen zersetzenden Einflüssen. Gewiß wird man dem magyarischesten Mini-
sterium, welches bisher in Ungarn regierte, nicht den Vorwurf machen
dürfen, daß es diese Gefahr für das Magyarenthum nicht erkenne; ebenso-
wenig wird eine solche Anklage gegen die Regierungspartei erhoben werden
lönnen. Nichtsdesloweniger fangen die Ereignisse in der Türkei an, sich ent-
gegen den Lebensbedürfnissen Ungarns auszugestalten, ohne daß Ungarns
Parlament und Regierung die Macht hätten, der Entwicklung der Dinge
eine andere, mehr mit Ungarns Interessen zusammenstimmende Richtung zu
geben. Allein hier scheint nicht dem Wollen, sondern dem Können eine un-
übersteigbare Schrauke gegogen sein. Indeß das VBolk ist mißgestimmt, und
das Gefühl des Unbehagens, der Unzufriedenheit dringt in das Parlament
selbst. Bezüglich der Ansgleichsfrage mit Oesterreich waren es das
Ministerium Tisza und die Regierungspartei, welche durch die Kündigung des
Zoll= und Handelsbündnisses den Ausgleichskrieg mit Oesterreich eröffneten
und sich vor der öffentlichen Meinung Ungarus vermaßen, in einem kurzen,
erfolgreichen Feldzuge gegen Oesterreich große wirthschaftliche und finangielle
Vortheile zu erringen. Allein die Thatsachen entsprachen den angeregten
Hoffnungen und Erwartungen nicht. Diese intensive Täuschung hat zuerst
die aus den Wahlen mit imposanter Majorität hervorgegangene liberale
Partei zersetzt und eine große Fraktion derselben in die Opposition gedrängt.
Denn wenn auch eine objektive Würdigung der Verhältnisse anerlennen muß,