Die Oeslerreichisch-Angarische Monarchie. (März 9.) 223
für das außerordentliche Heereserforderniß in der ersten Hälfte des
Jahres 1878, nachdem sich die Indemnität bloß auf das Ordina-
rium bezieht und lant Vertrag bestimmte außerordentliche Anslagen
bezahlt werden müssen, und über die Ermächtigung zur eventuellen
Verwendung eines außerordentlichen Credits bis zur Höhe von
60 Mill.
9. März. Andrassy legt der ungarischen und gleich darauf
auch der österreichischen Delegation ein Exposé vor, mit welchem er
die Creditforderung von 60 Mill. begründet. Dasselbe lantet:
Die Beurtheilung der politischen Sitnation ist heute durch zwei Er-
eignisse beherrscht: die Friedenspräliminarien und die Aussicht auf
einen europäischen Congreß, der berufen ist, die Resultate des Krieges
endgiltig zu regeln. Was die Friedenspräliminarien anbelangt, muß ich
vor Allem hervorheben, daß das, was heute hierüber bekannt ist, noch nicht
den Charakter der Authentizität besitzt. Es kann nicht meine Absicht sein, in
eine detaillirte Analyse derselben einzugehen. Ein solches Borgehen könnte
ich heute nahe vor dem Zusammentritte eines Congresses nicht für zeitgemäß
erachten. Wenn wir auch glauben, daß bie Interessen Oesterreich-Ungarns
heute zugleich allgemein enropäische sind, so kann es uns doch nicht gerathen
erscheinen, durch die Aufstellung! eines förmlichen Programms den Verathungen
des Congresses vorzugreifen. Dieß wäre umsomehr zu vermeiden, als eine
immerhin mögliche Verschiedenheit der Auffassung auch nur von Einer
Seite den Zusammentritt des Congresses im letzten Augenblicke erschweren
könnte. Ich will daher meine Anschauungen über die vorläusigen Abmach-
ungen zwischen Rußland und der Türkei, wie sie bis heute bekannt find,
nur im Allgemeinen darlegen. Beie Abmachungen, die während eines Feld-
zuges unter fortwährender Aktion der Armeen stattfinden, ist es etwas Natür-
liches, daß militärische Interessen die politischen in den Hintergrund drängen,
daß die Erwägungen der Zukunft denen der Gegenwart geopjert werden.
Die Mililär-Commandanten stellen ihre Verantwortlichkeit naturgemäß in
den Vordergrund, und so präsentiren sich die Conditionen in einer Form,
die sie nicht sehr geeignet machen, auch für Andere annehmbar zu erscheinen.
Europäische Interessen, sowie die Interessen einzelner Staaten können auch
unmöglich gewahrt aus Verhandlungen hervorgehen, wo jene Interessen und
jene Staaten in leiner Weise vertreten waren, sondern nur Eieger und Be-
siegter sh gegenüberstanden. Der Sieger glaubt kein Interesse daran zu
haben, das Maß seiner Forderungen zu beschränken; der Besiegte hat nicht
Z Mittel dazu. Dieß ist umsomehr der Fall, wenn die Abmachungen nicht
6 definitive gelten, sondern als Substrat für eine später zu treffende, end-
giltige Einigung dienen sollen. Dazu treten Uebertreibungen und Wider-
sprüche der aus den verschiedensten Quellen stammenden telegraphischen Nach-
richten. Kein Wunder also, wenn das Gesammtbild unter jolchen Verhält-
nissen einen wenig bernhigenden Eindruck erweckt. Die Zeit ist nicht zu
entfernt, wo man Rußland als militärisch ohnmächlig darstellte, als eine
Macht, die nicht im Stande sei, der Türkei das Gleichgewicht zu halten und
sich alS Großmacht zu behaupten. Heute läßt man ganz Europa zu gleicher
Zeit von aggressiven Intentionen Nuhlans und seiner militärischen Macht
bedroht erscheinen. Wir leben in der Zeit der Telegraphen, das Urtheil
wird mit einer gewissen Nervosität auf kurze telegraphische Berichte basirt,
und so bewegt sich die öffentliche Meinung meist von einem Extrem in das