Die Oefterreichisch--Mugarische Monarchie. (Oct. 4-—7.) 245
Reiche wie anderwärts sein. Er wolle die Fundament-Artikel hier nicht ver-
theidigen; aber von hundert, welche sie verdammen, hätten sie nennund-
neunzig gar nicht gelesen. Nicht die Octroyirung, sondern die Verständigung
könne Hülfe bringen. Hiezu jei der geeignetste Vermittler der Monarch, der
über den Parteien steht und, wenn nöthig, auch der Richter ist zwischen
beiden Parteien. Ihr Deutschen würdet beleidigenden Undank dem Mo-
narchen zufügen, wenn Ihr glauben würdet, er könnte Euch Unrecht thun.
Wie Brüder wollen wir des Vaters Vermililung anrufen.“
Es wird anerkannt, daß seine Rede äußerst maßvoll gehalten ist und
die einstimmig beschlossene Zuweisung derselben an eine Commission ruft
einen Beifallssturm der Gallerien hervor. Hat auch der Adreßentwurf als
solcher wenig Chanren, so bietet doch die Bestellung einer Commission die
Möglichkeit weiterer, auf praktischem Boden sich bewegender Verhandlungen,
die sich nach den ciechischen Winichen zunächst auf die Wahlordunng erstrecken
sollen — ein Gebiet, das auch die Verfaissungspartei nie als ein poll me
tangere bezeichnete. In Mähren hingegen muß die provocatorisch ab-
gefaßte czechische Adresse rundweg abgelehnt werden. In Oberöstlerreich
wird ein von den liberalen Elementen verfaßter Adreßentwurf angenommen,
während in Steiermark mit einer Mehrheit von 33 gegen 22 Stimmen
der Antrag des Ultrawontanen Karlon auf Einsetzung einer Commission zur
Entwerjung einer Adresse an die Krone angenommen wird. Wie in biesem
Landtage, so fehlte es auch in den anderen nicht au Ve ersuchen, die Schul-
gesetze, speciell die Schulpflicht, im Sinne der Wünsche der Landbevölkerung
zu modificiren; doch bleibt für jene Landtage, in denen die Liberalen die
Mehrheit haben, bereits die in Niederösterreich hiefür gewählte Form, welche
diese Bestimmungen dem discretionären Ermessen der Landesschulbehörden
überläßt, Femlich maßgebend. Bemerkenswerthe Rückläufe erzeugt die wirth-
schaftliche Lage, und Anträge gegen den Wucher bilden in der Mehrzahl der
Landtage bereiks eine ständige Erscheinung. In Galizien veranlaßt die
polnische Majorität die ruthenische Minderheit wieder zur Desertion, und
zwar durch Anträge auf Revision der Wahlordnung zur Vermehrung des
städtischen Golniichen) Elements. Nach Absentirung der Ruthenen ist der
Landtag für diese Reformen nicht mehr beschlußfähig. Dieses Landtagsbild
im Kleinen und in allgemeinen Umrissen zgeigt fast alle politischen Parteien
in lebhafter Bewegung und gestattet einen Ausblick auf die Verhältnisse im
RNeichsrath, die sich dießmal besonders dann interessant gestalten dürften,
wenn die Czechen, die von Neuem in den Reichstag gewählt werden, jetzt
endlich von ihren Mandaten Gebrauch machen sollten. Nach der Stimmung
im czechischen Lager scheint dieß nicht außerhalb des Bereiches der Möglichkeit.
4. October. (Bosnien.) Die österreichischen Truppen ziehen
in Wischegrad ohne Kampf ein. Die Insurgenten verlassen früh
am Morgen das Lager und die Verschanzungen unter Zurücklassung
von Kanonen, Zelten und Munition. Die 8. Infanterie-Brigade
rückt in Gorazda ein ohne Widerstand zu finden und befetzt auch
Tschajnitza mit zwei Bataillonen. Fotscha ist frei von Insurgenten.
Hiemit ist der Aufstand in ganz Bosnien niedergeworfen und das
Land in den Händen der österreichischen Truppen.
6. October. (Oesterreich.) Ein kaiserliches Handschreiben
nimmt die Demission des Ministeriums Auersperg an; dasselbe