Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Die Oesterreichisch-Mugarische Monarchie. (Oct. 14.) 247 
macht, Nußland und Italien aber in unverkennbarer Mißachtung die De- 
pesche überhaupt nicht beantwortet. 
14. October. (Ungarn: Croatien.) Landtag: genehmigt 
gegen eine Minderheit von bloß 7 Stimmen den, von der National- 
(Regierungs-) Partei eingebrachten, Entwurf einer Antwortsadresse 
auf die kal. Thronrede. Dieselbe ist entschieden in groß-croatischem 
Sinne gehalten und bildet ein förmliches Zukunftsprogramm. Der 
Banus Mazguranie spricht sich indeß entschieden gegen den Anspruch 
eines Anschlusses Bosniens an Croatien und der Sectionschef Ziv- 
kowic ebenso nachdrücklich gegen die Forderungen in Bezug auf 
Dalmatien und Fiume aus, allein ohne Erfolg. 
Die Antwortsadresse beschäftigt sich hauplsächlich mit zwei Punkten. 
Der erste betrifft den ungarisch-croatischen Ansgleich. Gemäß den 
sonderbaren staalsrechllichen Zuständen in der habsburgischen Monarchie muß 
nun den fast dreijährigen Ausgleichshäleleien zwischen Ungarn und Cester= 
reich ein eben so unerquicklicher ungarisch-croatischer Epilog nachfolgen. Die 
Regnicolardeputationen werden das mühselige Geschäft der finanziellen Aus- 
einandersehung. zwischen Pest und Agram schon demnachst in Angriff nehmen; 
in welchem Sinne dieß von Seite des „dreieinigen“ Königreichs geschehen 
dürfte, lehrt die Anllage im Adreh Entwurf: daß die Croaten die „unange- 
nehme Erfahrung“ gemacht, wie die „Durchführung mehrerer Bestimmungen 
des. „Ausgleich- sgesetzes vom Geist und #uchsalen dieses Gesetzes abgewichen 
sei.“ Darum soll die Revision dasselbe in seiner „vollen Reinheit“ wieder- 
herstellen und befestigen. Ungarn erhält für alle seine finanziellen Opfer, 
die es dem „dreieinigen" Königreich bringt, stets neue Vorwürfe. Die Croaten 
haben sich ein recht kostspieliges Verwaltungssystem eingerichtet; sie konnten 
es leicht thun, denn es kostet sie im Grunde wenig. Neichen die eigenen 
Einnahmen nicht aus, dann schießt eben das „Mutterland“ zu. Das ist eine 
sehr geschickt gemachle Einrichtung und gereicht dem Scharisinn der Croaten 
zur Ehre. Sie ließen in den sechziger Jahren ihren Anschluß an Wien oder 
Pest besonders hoch taxiren. In Ungarn war man unbedacht geung, ihnen 
im Jahre 1861 ein „weißes Blatt“ zu reichen. Die Furcht vor dem Wiener 
Centralismus vermochte Deak und seine Freunde zu diesem Schritte, der in 
seinen Consequenzen zu der fast unerhörten autonomen Sonderstellung Croa= 
tiens führte. Es war eine Uebereilung, die sich seitdem schon wiederholt 
gerächkt hat; doch erst jetzt reijen deren gefährliche Früchte. Der zweile Punkt 
ehandelt die großcroatische Staatsidee. Die Adresse behauptet, daß 
das occupirte bosnisch-herzegowinische Gebiet unter dem Lichte des Krönungs= 
eides als wiedererworbenes Eigengut betrachtet werden müsse. Dieser Ge- 
staltung müsse aber die Cinverleibung Dalmatiens in Croatien-Slavonien 
vorangehen; ebenso stehe der endlichen Vereinigung des Militärgrenglandes 
mit dem croatischen, „Mutterlande“ nichts mehr im Wege, und sei auch die 
„Einnahmen= Frage'##t zu Gunsten eines Anschlusses an das „dreieinige“ König- 
reich auszutragen. Deun „die Zerstückelung dieser ehedem vereinigt gewesenen 
Provinzen schwäche die südöstlichen Grenzen, erschwere deren Selbstverwal- 
lung, erzeuge Unsicherheit und Unzufriedenheit, worauf die Feinde der Mo- 
narchie heute mehr denn früher zählen.“ Das sind die Zukunftspläne der 
sog. Großcroaten. Allerdings ist das heutige „dreieinige“ Königreich nicht 
Krober, als drei mitlelmäßige ungarische Comitale; denn es hat in Summa 
loß einen Flächeninhalt von 422½ Quadratmeilen mit 1,150,000 Ein-
	        
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