Die Oesterreichisch-AUngarische Monarchie. (Nov. 6—7.) 257
der Balkan-Halbinsel ein so überwiegender wurde, daß dadurch eine Be-
drohung unserer Interessen zu befürchten stand. Dieß war die Aufgabe des
Berliner Congresses, und wenn die dort versammelten Vertreter der Mächte
es für nothwendig erkannten, daß wir Bosnien und die Herzegowina beiehen
und verwalten, um die Herstellung ruhiger Zustände auf der Balkan-Halb
insel zu ermöglichen, so konnten wir einer solchen Mahregel unsere Zustim-
mung nicht versagen, denn dieselbe hatte den Zweck, den Ausbruch neuer
Complicationen zu verhindern, welche unsere Interessen noch unmittelbarer be-
rührt und gefährdet hätten. Die Occupation war daher für uns eine De-
fensivmaßregel, dahin gerichtet, späteren und größeren, wahrscheinlich mit
mehr Gefahren und Kosten für uns verbundenen Conflagrationen vorzubeugen
und zu verhindern, daß wir in handelspolitischer Richtung von dem Gebiet
abgeschnitten werden, welches wir stets als die Hauptdomäne unserer Action
angefehen haben und, so Gott will, auch künftig ansehen werden. Zudem
darf ich beifügen, daß die Occupation unter Umständen begonnen wurde, wo
wir anzunehmen berechtigt waren, daß sie in friedlicher Weise sich vollziehen
werde, unter Umständen, wo ein Nichtausreichen des 60-Millionen-Credits
nicht angenommen werden konnte. Erst der Widerstand, welcher der Ocen-
pationsaction sich entgegenstellte, hat eine Ueberschreitung der dafür in Aus-
sicht genommenen Mittel zur Folge gehabt, und zwar unter Umständen,
welche es keiner Regierung mönlcch gemacht hätten, diese Ueberschreitung zu
vermeiden. Dieß sind in kurzen Sägen die Voraussetzungen, unter webohn
wir der Occupation unsere Zustimmung ertheilt haben, und unter welchen
wir die Verantwortung für die Orcupation mittragen müssen und wollen.
Hausjuer (Pole, der sich aber in diesem Falle von seinen Landsleuten trennt)
bezeichnet die Ocenpation Bosniens als einen Länderraub, dem in drei Jahren
die Vernichtung der Verfassung folgen dürfte. Es sei ein Sophisma, daß
eine begonnene Action unbedingt fortgesetzt werden müsse. Was die Einzel-
leistungen der Occupationstruppen betrifft. so waren sie. glorreich, das ganze
Unternehmen aber ist nur traurig. Die Occupation sei nur aus Connivenz
gegen N#dtamn geschehen; als Staatsbürger, als Pole und als Mensch stimme
er für die Adresse, denn ein Bund mit Rußland bedeute das Ende der Frei-
heit und der Aufklärung. (Lang auhaltender Beifall und Händeklatschen.)
Nach dieser Nede wird der Schluß der Debatte angenommen.
6. Nopember. (Bosnien.) Eine zur Ausarbeitung der Or-
ganisation für Bosnien und die Herzegowina delegirte Commission
hält in Pesih täglich Sitzungen und soll ihr Elaborat demnächst
fertig stellen. Das von F.3Z.M. Philippovic ausgearbeitete Organi-
sationsstatut ist zwar der Commission überwiesen, jedoch von der-
selben nicht als Grundlage der Verathungen acceptirt worden.
7. November. Eröffnung der Delegationen in Pesth. Der
österreichische Reichsrath vertagt deßhalb seine Sitzungen, um sie
erst nach dem Schluß der Delegationen wieder aufzunehmen.
7. November. (Ungarn: Groatien.) Der Kaiser empfängt
in Pesth eine Deputation des croalischen Landtags mit der Adresse
desselben und nimmt zwar die Versicherungen der Loyalität wohl-
gefällig entgegen, bemerkt jedoch scharf tadelud, daß sich der croa-
tische Landtag auch mit auswärtigen Angelegenbeiten (der orientali-
Schulthes: Curoy. Geschichtelalender. NIX. 17