Die Oeklerreichisch-Ungarische Monarchie. (Nov. 9—10.) 259
lifen als unser allgemeines höchstes Glaubensoberhaupt anzuerkennen und zu
ehren; indem wir dafür halten, daß in dieser unserer religiösen Pflicht Eurer
k. und k. Apostolischen Majestät und den Interessen des Kaiserthums nichts
enlgegenstehen könne, halten wir an diesem religiösen Rechte auch weiterhin
fest, finden aber indessen als angenessen und unumgänglich nothwendig, bei
dieser Gelegenheit Eurer k. und k. Majestät zu erklären, daß wir aus ver-
schiedenen Rücksichten bereit sind, uns von jedwedem Einftusse des Scheik-ül-
Islam in Constantinopel loszusagen in unferen Glaubensangelegenheiten, und
wir einmüthig beschlossen, Eure Majestät zu bitten, und bitten auch factisch:
Eure k. und k. Majestät geruhe allergnädigst anzunehmen und zu erwirken,
wie die Bosnier und Herzegowiner islamitischen Glaubens aus unserer Mitte
ein würdiges Haupt und Leiter haben könnten, vom Scheik-ül-Islam in Stambul
in Allem unabhängig, für unsere inneren und äußeren religiösen Einrichtungen,
wodurch alle unsere geistlichen Angelegenheiten eine vortheilhaftere Nichtung
nehmen und sich damit sowohl für unser religiöses Wohl, als für das Land
vortheilhafter gestalten würden. — Cure Majestät! Dieses sind die funda-
mentalen Wünsche und Existen zbedingungen, welche wir Eurer groß-
herzigen Majestät aus eigener Ueberzeugung behufs eruster Würdigung, ge-
neigter Gutheißung und a. h. Sanctionirung mit unterthänigem Vertrauen
aussprechen, feierlich n3 und Namens der ganzen mahomedanischen
Bevölkerung von Bosnien und der Herzegowina durch unsere Unterschriften
erhärten, und sind wir 2c. (Folgen 58 Unterschriften.)
9. November. (Bosnien.) Durch Proclamation wird eine
kaiferl. Generalamnestie für BVosnien und die Herzegowina verkündet.
Die Amnestie erstreckt sich auf diejenigen anläßlich der Occupation
compromiltirten Personen, welche zu friedlicher Beschäftigung zurückgekehrt
sind oder binnen 14 Tagen sich freiwillig stellen und Gehorsam zusichern;
ferner auf in Untersuchungs= oder Strafhafl befindliche Personen, dagegen
nicht auf hervorragende Nädelsführer, die sich bereils in Haft befind
doch soll auch bezüglich dieser in besonders berücksichtigungswerthen Falte
Begnadigungsantrag gestellt werden.
10. November. Der Kaiser empfängt in Pesth die beiden
Delegationen und hält eine Ansprache an sie, welche, entsprechend
der schwierigen politischen Lage, den Charakter der bei dieser Ge-
legenheit sonst gebräuchlichen Formalität weit überschreitet und ver-
möge der darin vorkommenden wichtigen politischen Aussprüche voll-
ständig das Gepräge einer Thronrede trägt.
Seitens der österreichischen Delegation hält Graf Coronini eine An-
sprache an den Kaiser, worin er unter dem Ausdrucke der Treue und Er-
gebenheit versichert, die österreichische Delegation werde auch dießmal nur
der getreue Dolmetsch der Gesinnungen ihrer Vollmachtgeber sein, wenn sie
bei Berathung und Beschlußfassung über ihr zugekommene oder noch zu-
kommende VBorlagen der gemeinsamen Negierung, durchdrungen von dem
Ernste des Augenblicks und in Sorge für die Wohlfahrt, Chre und Macht-
stellung der Monarchie, die in deren Inleresse gestellten Forderungen
mit den Rücksichten in Eintlang zu bringen bestrebl sein werde, welche sie
auf die Finanglage des Staates und die lirthschaftlichen Bedrangnisse seiner
Bewohner zu nehmen die Pflicht habe. Der Kaiser erwidert, indem er für
die Versicherung der loyalen Ergebenheit dankt und an die ernsten Verhält=
nisse erinnert, unter welchen die Delegation zuletzt veriammelt war: „Die
177“