Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Großbrittannien. (Jan. 17). 285 
Feindseligleiten unglücklicherweise verlängert werden sollten, irgend ein un- 
erwartetes Ereigniß es Mir zur Pflicht machen dürfte, Vorsichtsmaßregeln zu 
ergreifen. Solche Maßregeln könnten ohne genügende Vorbereitung nicht 
wirksam getroffen werden, und Ich hoffe auf die Freigiebigkeit des Parla- 
ments, um die Mittel, welche für jenen Zweck nothwendig sein dürften, zu 
bewilligen. Die Documente über diesen Gegenstand werden Ihnen unverweilt 
vorgelegt werden. Meine Beziehungen zu allen jremden Mächten sind fort- 
dauernd freundliche." 
Die Thronrede zeichnet sich vor anderen dieser Gattung durch beson- 
ders klaren Stil und kurzgefaßte Sähe aus, was um so mehr anzuerkennen 
ist, als ihr die auswärtige Politik betreffender Haupttheil eine äußerst vor- 
sichtige Behandlung erheischte, und es ist schwer zu begreifen, daß die Oppo- 
sition auch nur an einzelnen Stellen desselben scharfe Kritik üben könne. 
Ist doch von Seiten der Regierung, genau genommen, alles geschehen, was 
ire Gegner als geboten erachtet und anempfohlen hatten. Auf eine früh- 
zeitige Einberufung des Parlaments hatten schon Gladstone, Bright, Forster 
und andere hervorragende Führer der Opposition zu einer Zeit gedrungen, 
als dessen Meinungsäuserungen nicht so dringend nothwendig erscheinen konnten, 
als in diesem Angenblicke. Billigerweise wird demnach gegen die Erklärung 
der Thronrede, daß die Krone das Parlament einberufen habe, um dessen 
Naths und Beistands theilhaftig zu werden, von gegnerischer Seite sich kein 
stichhaltiger Eimvand erheben lassen. Ein Gleiches gilt von den ferneren 
Auseinandersetzungen der Thronrede über die vergeblich gemachten Bemühnn= 
gen des Cabinets zur Hintanhaltung des Krieges, zu einer gemeinsamen 
Vermittlung und betref ffs der bisher eingehaltenen Neutralitäl. Die Thron- 
rede sagt frei heraus, ehs von den Bedingungen, an die England seine Neu- 
tralität knüpfle, keine bisher verletzt worden ist, und spricht den Glauben 
aus, daß dieß auch ferner unterbleiben werde. In diesem Falle, so sagt sie, 
wird England seine bisherige Stellung festhalten und nur dann zu Vorsichts- 
maßregeln schreiten, wenn diese durch unerwartete Ereignisse geboten erschrinen 
sollten. Milder und umsichtiger hätten selbst Gladstone und Fawcett, hätten 
selbst die unbedingtesten aller Friedensfreunde den delicaten Gegenstand gewiß 
nicht behandeln können. 
Die Antwortsadresse wird in beiden Häusern noch am gleichen 
Tage erledigt; die Debatten darüber verlaufen glimpflich, obgleich 
die Führer der Opposition, Lord Granville im Oberhause, Lord 
Hartington im Unterhause, die Haltung der Regierung einer mehr 
oder weniger scharfen und einläßlichen Kritik unterwerfen. 
Die Debatten des Oberhausfes sind bedeutsamer als die des Unter- 
hauses. Lord Grauville bespricht die verschiedenen in den letzten 6 Mo- 
nalen abgegebenen Erklärungen der Regierung. Dieselben hätten bis zum 
November vorigen Jahres einen beruhigenden Charakler getragen, er glaube 
aber, daß durch die Rede Lord Beaconssield's vom 10. November die ande- 
ren Mächte auf den Gedanken gekommen seien, daß England eine bewassuete 
Neutralität angenommen habe. Granwille kadelt den Passus der Khronrede 
bezüglich der frühzeitigen Einberufung des Parlaments und hebt die Ver 
sicherungen hervor, die Rußland in Betreff des Punktes gegeben habe, bis zu 
dem es gehen wolle. Wenn diese Versicherungen unbrfriedigend gewesen seien, 
so hätte das Parlament sofort einberusen werden sollen, und wenn sie be- 
friedigend gewesen, so sei kein Grund gewesen, das Gefühl der Unsicherheit 
zu wecken, welches, wie er glaube, deßhalb herrsche. Lord Beaconsfield 
motivirt in seiner Erwiderung die Einberufung des Parlaments durch die
	        
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