Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

290 Grohbritlannien. (Jan. 28.) 
nicht, weil damit eine große Verantwortlichkeit verbunden sei. Northcote 
theilt nun die bereits bekannten vom Grafen Schuwaloff der Regierung nicht 
officiell mitgetheilten Friedensgrundlagen, worüber die einschlägigen Schrift- 
stücke dem Hause morgen würden vorgelegt werden, mit und fährt fort: 
Die Bedingungen Rußlands seien sehr weitgehend. Bulgarien bilde die Mitte 
der europäischen Türkei. Die für Bulgarien geforderte Antonomie sei nicht 
bloß eine administrative, sondern gleiche der rumänischen und serbischen vor 
dem RKriege. Ferner heiße es, der Char wolle selbst für Bulgarien den 
Fürsten auswählen. Sonach würde im Herzen der Türkei eine bedeutende 
neue Macht unter einem Rußland ergebenen Fürsten gebildet werden. In 
Betreff Rumäniens, Serbiens und Montenegro's würden die bezüglichen 
Fragen anderwärts eingehender als von England geprüft werden und viel- 
leicht Schwierigkeiten hervorrufen. Ferner sei die Frage der Kriegsentschädi- 
gung eine sehr elastische. Rußland könne demnach eine territoriale Entschädi- 
gJung in der Form wählen, welche für Europa von größtem Interesse ei. 
Es sei daher ein europäisches Conseil wegen des Friedens nothwendig. Die 
Stipulation wegen der Dardanellen sei entweder von großer Tragw#ite oder 
besage nichts. Jedenfalls fei sie für England von größtem Interesse. Ein 
separates Abkommen darüber würde England nicht anerkennen und nicht zu- 
lassen. Wiederholte Erklärungen Oesterreichs zeigten, daß es die darauf be- 
zügliche Ansicht Englands theile. Die Niederwerfung der Türkei müsse 
allerdings große Veränderungen zur Folge haben. England würde sich aber 
in unvortheilhafter Stellung befinden, wenn die Mächte nur über den defini- 
tiven Frieden befragt werden sollten. Die britische Regierung halte an dem 
Inhalte der in der Mai-NRote Derby's beobachteten Neutralität fest. Sie sei 
bestrebt, eine Erweiterung des Kampfes zu verhindern. Sie habe Griechen- 
land nur freundschaftliche Rathschläge ertheilt und weder Druck ausgeübt, 
noch Bestechung versucht, um Griechenland vom Kriege abmhalten. Northeote 
bemerlkt bezüglich der Haltung der Regierung in letzter Zeit, daß Derby in 
seiner Depesche vom 13. December die ernstliche Hoffnung ausgesprochen habe, 
daß eine geitweilige Besehung Constantinopels und der Dardanellen vermieden 
werde, da sonst England die volle Freiheit des Handelus in Anspruch zehmen 
würde. Rußland habe am 16. December zwar eine freundliche, aber aus 
weichende Antwort ertheilt, in welcher es anscheinend andenten wollte, * 
die russische Politit erfordern könnte, gegen Constantinopel vorzurücken. Als 
aber am 12. Jannar die Russen über Adrianopel auf Gallipoli vorgerückt, 
habe England vorslellig gemacht, daß jede Operation, welche darauf abziele, 
die Dardanellen unter die Controle NRußlands zu stellen, als ein Hinderniß 
für Erreichung der Bedingungen für eine endgilühge Regelung der Darda- 
nellenfrage angesehen werden würde. Zugleich sei von Rußland die Ver- 
sicherung verlangl worden, nicht auf Gallipoli vorrücken zu wollen. Fürst 
Gortschakofsf habe am 15. Jannar geantwortet: Rußland beabsichtige nicht 
auf Gallipoli vorzurücken, wenn ulcht türkische Truppen dort concentrirt 
würden. Gortschakoff habe seinerseits die Versicherung Englands verlangt, 
Gallipoli nicht besetzen zu wollen. Allein die Russen seien immer vorgerückt, 
und als Suleiman Pascha sich in der Nichtung auf Gallipoli zurückgezogen, 
habe die Rrgierung beschlossen, die Flotte in die Dardanellen zu senden. Der 
Sultan habe einen Ferman gesendet, worin die Zulassung der Flotte ge- 
stattet worden. Sobald es aber geheißen, daß die Pforte bereit sei, die 
Friedensgrundlagen anzunehmen, und daß die Dardanellenfrage nicht allein 
durch Rußland und die Türkei, sondern durch eine Conferenz geregelt werden 
solle, habe die Flotte Gegenbefehl erhalten. Die Expedition der Flotte sei 
nur eine temporäre Maßregel gewesen; dieselbe hienge nicht mit der Credit- 
forderung zusammen. Die Frage sei, ob England mit der Stärke einer einigen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.