294 Großbriklannien. (Jan. 28 — Febr. 8.)
um das Parlament zur Ablehnung des Supplementarcredits aufzufordern,
im Gegentheil, dem Cabinet volles Vertrauen auszusprechen. Der Austoß zu
völligem Umschlag geht indeß von London aus. Am 31. Jannar soll in
Cannonstreet ein Meeling gegen die Iewilligung des geforderten Credits ab-
gehalten werden. Dasselbe wird indeß in Folge des Eindringens Conser-
vativer und dabei vorgefallener tumultnarischer Scenen aufgelöst. Unmittelbar
darauf findet ein Meeting in der Guildhall zu Gunsten der Regierung unter
Vorsitz des Lord-Mayor statt. Palmer, der Gonverneur der Bank von Eng-
land, und Nitchie, Mitglied des Unterhauses, setzen auseinander, daß die-
jenigen, welche Rußland glauben machen wollten, daß das englische Volk
uneinig sei und seine Interessen nicht vertheidigen werde, als die wahren
Beförderer des Krieges zu betrachten seien. Es wird darauf mit großem
Enthusiasmus und unter dem Absingen patriotischer Lieder folgende Resolu-
tion angenommen: Man wünsche sehnlichst den Frieden, wenn die Aufrecht-
erhaltung desselben mit der Ehre und den Interessen des britischen Reiches
vereinbar sei, und man sei überzeugt, daß der Friede und die englischen In-
teressen besser gesichert seien, wenn die Fotttik der Regierung unlerstützt werde.
Diese Resolution wird unverzüglich durch eine Deputation der Regierung
zugestellt. Lord Manners, der die Deputation empfängt, erklärt, daß die
Resolution genau die Ansichten der Regierung ausdrücke, welche diese Kund-
gebung der Vevölkerung Londons dankend anerkenne. An demselben Tage
wird dem Schaßkanzler Northcote eine Adresse überreicht, die von etwa 900
der augesehensten Londoner Kaufleute und anderen Londoner Geschäftstreiben-
den unterzeichnet ist, und in welcher Verlrauen in die auswärtige Politik der
Regierung ausgesprochen wird.
Die Rückwirkung dieser Vorgänge auf die Stimmung des Parlaments
bleibt nicht aus, zumal die — des Waffenstillstandes von Adria-
nopel vom 31. Januar, die erst am 4. Febrnar in London näher bekannt
werden, in allen Kreisen den allerschlechtesten Eindruck machen, als ein Schlag,
den Rußland nicht kühn, sondern frech England ins Gesicht zu geben gewagt
habe. Im Anfange der langen Creditdebatte wird angenommen, daß die Re-
ierung dafür wohl die Majorität, aber doch nur eine ziemlich bescheidene
haben werde. Nach und nach aber wird es immer sicherer, daß sie eine starle
Mehrherr erlangen werde; aber fraglich war noch immer, wie hoch sie sich
bezissern werde. Auf keinen Fall unter 100, wahrscheinlich auf 120—130,
möglich sogar auf 150 und darüber; denn mehrere Mitglieder der Opposition
seien vensschlossen, mit der Negierung zu stimmen, und eine namhaste Anzahl
anderer — abgesehen von den irischen Homerulers — werde sich der Ab
stimmung ganz enthalten. Mit jeder Stunde drohte die Zahl der Abtrünni-
gen größer zu werden. Die ohnedieß starke Zersplitterung der Opposition
machte reißende Fortschritte. Aus den verschiedensten Theilen des Landes
trafen Berichte über Meetings zu Gunsten der Regierung ein. Schon ward
es schwer, auf irgend einer öffentlichen Volksversammlung einen Mißtrauens-
antrag gegen die Regierung einzubringen, ohne daß dieser lärmend belämpft
und schliehlich in einen Vertrauensbeschluß umgewandelt wurde. Kurz, das
lut des Landes war in Wallung — the blooc of the country is up —
so lauteten die Berichte von den verschiedensten Seiten. Wenn die Regierung
inmilten der jetzigen Stimmung das Parlament anflösen und Neuwahlen an-
ordnen wollte, wie die Opposition jüngster Zeit es oft geung gesordert hat,
dann wahrlich wäre es um diese geschehen. We shoule be nowherc —
dieß gestehen jetzt selbst Führer der Opposition ein und lassen es dabei an
Ausfällen gegen Gladstone nicht fehlen, dem mit Recht die Hauptschuld für
die Zersplikterung der Partei aufgebürdet wird.