Großbritlannien. (Jan. 28 — Febr. 8.) 295
Schließlich wünscht die Opposition wenigstens einer förmlichen
Parteiabstimmung aus dem Wege zu gehen. In der Sitzung vom
5. Febr. präludirt Sir Vernon Harcourt einer Zurückziehung des
Forster'schen Gegenantrags durch die Erklärung: wenn die Regierung
vor dem Schluß der Debatten erkläre, daß sie eine Friedenspolitik
verfolge, so werde das Votum des Hauses ein einstimmiges sein.
Aber das hatte ja die Regierung schon längst hundertmal erklärt!
Am 7. Febr. nimmt Forster seinen Antrag wirklich zurück. Das
Haus geht darauf sofort mit 295 gegen 96 Stimmen in Committee
und bewilligt am 8. Febr. den 6-Mill.-Credit mit 328 gegen 127
Stimmen. Hartington und andere Führer der Opposition enthalten
sich der Abstimmung, Gladstone stimmt gegen die Negierung, eine
große Angahl Liberaler mit ihr. Die Lage erscheint damit sehr ge-
klärt, die Regierung hat einen großen Sieg davon getragen und die
Opposition ist zunächst wenigstens entschieden machtlos und geradezu
beschämt: Hartington hat den Rückzug antreten müssen und Forster
bewogen, seinen Antrag in aller Form fallen zu lassen. Die Partei
selbst ist bezüglich der auswärtigen Angelegenheiten sichtlich in voller
Auflösung begriffen.
Während des Laufs der Debatte veröffentlicht die NRegierung wei
Vlaubücher mit diplomatischen Actenstücken der lehten Wochen. Wir e
heben denselben folgende Dalen: Am 15. Jannar gab Rußland dem 4uan
lischen Cabinet die bedingte Zusage des Fernbleibens von Gallipoli. Auf
eine Anzahl kurzer, aber durchweg höflicher und entgegenkommender, dabei
indessen bestimmter und streng die Sach' betreffender Anfragen Derby's folgen
lange, schwulstige Erwiderungen „Gortschakoff' s, in denen die Menschenliebe
seines hohen Herrn und dessen Sehnsucht nach dem Frieden bervorgeholen
wird. Andererseits aber wird an die heilige Pflicht erinnert, welche Ruß-
land übernommen habe und welche es zu Ende führen müsse. Den Wider-
stand der Türkei bezeichnet der Reichslanzler als „Hartnäckigkeit“. Die Zu-
sagen England gegenüber sind unbestimmt, zweideukig und mit Vorbehalten
versehen. Daneben verfehlt Fürst Gortschakoff nicht, die englische Regierung
feierlich daran zu mahnen, daß sie durch Alles, was sich als eine Zusicherung
oder anders denn als eine Ablehnung ruylischer Lile au die Türkei auslegen
ließe, das Loos der lehteren nur noch erschwere. Am 25. Jannar erwiderte
Schuwaloff auf Befragen Derby's, daß Rußland durchaus nicht gewillt sei,
„europäische Fragen allein zu regeln“ (résoudkkre isolemem). Erst am
28. Januar verstand sich Schuwaloff auf Anweisung Goritschakoff's zu der
klareren Aeußerung, Rußland betrachte die Frage über die Durchfahrt von
Kriegsschiffen durch den Bosporus und die Dardanellen als eine „europäische“"
Frage, welche#e ßes nicht allein zu egeln wünsche. Am 29. Jannar erfolgte.
in ahnlicher Form, wie es von Oesterreich geschehen, die amtliche Anzeige
Lord Terby's in Petersburg, die englische Regierung erkenne zwar alle Ver-
einbarungen, die zwischen russischen und lürkischen Bevollmächtigten behufs
Abschlusses eines Wassenstillstandes und Feststellung der Friedensgrundlagen
getroffen würden, als bindend für die beiden kriegführenden Theile an, erlläre
jedoch, daß sie, insofern diese Vereinbarungen eine Aenderung der enropäischen