Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Grohbritlannien. (März 24.) 301 
so bereit, daß auch sie jeden Angenblick in Bewegung gesetzt werden 
kann. Ungefähr 80,000 Mann sind somit zur unmittelbaren Ver- 
fügung vorhanden. 
Zufolge einer Teußerung des Oberbefehlshabers der Gesammtstreit- 
kraft von England, des Herzogs von Cambridge, darf im Kriegsfall außer- 
dem auf die Bereitwilligleit ganger Miliz-Regimenter in jeder Grafschaft zum 
auswärtigen Dienste gerechuet werden, wie auch auf die gleiche Anerbietung 
von etwa 20,000 Mann aus den Freiwilligen= Schaaren. Aus einem Rund- 
schreiben des Oberstlientenants Hope, der die freiwilligen Artilleristen von 
Surrey besehligt, kann man ersehen, wie klar die Sachlage unter dieser 
Bürgertruppe aufgefaßt wird. Das Rundschreiben sagt: die Nothwendigkeil, 
weiteren Uebergriffen gegen die Sicherheit und Freiheit Europa's einen festen 
Widerstand entgegenzusetzen, trete jetzt dringend an die Nation heran. Unter 
diesen Umständen erscheine es ihm wünschenswerth, daß die Regierung erfahre, 
inwieweit sie auf die Betheiligung der Freiwilligen rechnen könne, sei es 
zum Besatzungsdienst im Mittelmeer oder im offenen Felde. Jeder Officier und 
jeder Mann seiner Brigade, der sich dafür melden will, ist daher aufgeforderl, 
seinen Namen einzusenden. Es wird ferner daran erinnert, daß außer den 
193,000 unter den Waffen befindlichen Freiwilligen etwa weitere 600,000, 
die noch im besten Alter der Verwendbarkeit stehen, diefer Truppe früher 
angehörten. Man nimmt an, daß im Nothfall eine große Zahl derselben 
wieder ins Freiwilligenheer eintrete. Zu den gang practischen Vorschlägen, 
die Lord Stratheden im Oberhaus entwickelte, gehört auch ein von ihm an- 
gerathenes Gesetz: die Miliz, wenigstens zeitweilig, zum auswärtigen Dienste 
zu verpflichten. In der That besißt England in seiner Miliz= oder Volks- 
wehr-Verfassung das Mittel, von einem Tag auf den anderen die allgemeine 
Wehrpflicht einzuführen. Die Stärke der Miliz beläuft sich gegenwärtig auf 
135.,000 Mann. Jede Grasschaft hal eine Anzahl Regimenter zu stellen, die, 
gleich der Linie, durch Amverbung zusammengebracht werden. Ergibt sich in 
kier Grafschaft nicht die erforderliche Mannschaft durch freiwilligen Eintritl, 
wird zur Loosgiehung unter der Bevölterung geschritten — ein Fall, der 
Hbbriten noch nicht vorgekommen ist. Die Zahl der Milizmannschaft bestimmt 
das Parlament je nach Bedarf und Gutdünken. Eine Erhöhung, bis zu 
einer Ziffer, die etwa einem auf allgemeine Wehrpflicht gegründeten Heeres- 
bestand einer festländischen Macht entspräche, kann durch Parlamentsbeschluß 
jeden Angenblick erfolgen. Da England, außer seiner Linie, seiner Mili, 
seiner Schaar berittener Gutebesitzer und seinen unter Waffen stehenden Frei- 
willigen, noch, wie gesagt, etwa 600,000 ehemalige eingeübte Milglieder 
dieser letzteren Bürgertruppe besitzt, so würde die Verallgemeinerung des Miliz- 
wesens schnel, eeine bedentende Streitlraft auf die Beine bringen. All das 
wird z. Z. von der Presse und der öffentlichen Meinung Englands erörtert. 
Ohne liser würde eine Ausführung auf große Schwierigkeiten stoßen und 
jedrnsafl- nicht von heute auf morgen bewerkstelligt werden können. Aber 
es gehört doch, außerordentliche Umstände voransgeseht, nicht in den Bereich 
des Unmöglichen. 
24. März. Schonwaloff lehnt Namens Rußlands die For- 
derung Englands bez. des Congresses bestimmt ab. Rußland will 
zwar jeder Macht die Freiheit zugestehen, irgend welche Frage zum 
Zwecke der Discussion auf dem Congresse aufzuwerfen, behält sich 
aber die Freiheit vor, die Discussion seinerseits anzunehmen oder 
 
	        
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