Grohbritlannien. (April 1.) 303
„.. Das allgemeine Wesen des Vertrages und die vereinigte Wir-
kung seiner verschiedenen Bestimmungen auf die Interessen der Signatar-
mächte liefern einen entscheidenden Grund gegen die abgesonderte Besprechung
irgend eines Theiles jener Bestimmungen ohne Zusammenhang mit den
Uebrigen. Die bedeutendsten Folgen, zu welchen der Vertrag thatsächlich
führt, sind diejenigen, welche aus der Gefammtwirkung desfelben auf die
Bölker des südöstlichen Europas hervorgehen. Durch die Artikel, welche eine
neue Bulgarei begründen, wird unter dem Einfluß und der Leilung Ruß-
lands ein starker flavischer Staat geschaffen, welcher wichtige Häfen auf den
Ufern des Schwarzen Meeres und des Archipel besit, und es wird dadurch
dieser Macht ein vorwiegender Einfluß auf politische und Handels rehältnss
auf jenen Meeren übertragen. Der Staat wird derart zusammengesetzt sein,
daß er neben einer leitenden flavischen Mehrheit eine bedeutende Bevölke-
rungsmenge besitzen wird, welche nach Abstammung und Sympathie griechisch
ist, und die Aussicht auf ihr Aufgehen in der Gemeinbevölkerung, welche ihr
nicht nur in der Abstammung, sondern in politischen Neigungen und reli-
giöser Angehörigkeit völlig fremd ist, mit Beunruhigung betrachtet. Die Be-
stimmungen, durch welchen dieser neue Staat einem Herrscher unterworfen werden
oll, welchen Rußland thatsächlich wählen wird, die Verwaltung durch einen
rufsischen Commissar und die erste Anwendung seiner Institution unter der
Aufsicht eines russischen Heeres, deuten geungsam das politische System an,
in welchem es in der Zukunft einen Theil bilden soll. Es sind Bedingungen
hinzugefügt worden, welche diesen Einfluß selbst über die Grenze der neuen
Bulgarei hinaus ausdehnen werden. Der an und für sich im höchsten Grade
lobenswertheu Bestimmung, welche für die Bevölkerung in Thessalien und
Epirus verbesserte Institutionen vorschreibt, ist die Bedingung beigegeben,
daß das Gesetz, welches diese Institutionen sichert, unter der Aufsicht der
russischen Negierung ausgearbeitel werden soll. Es folgen darauf Abkommen
zum Schutze der Mitglieder der russ. Kirche, welche jedenfalls in ihrem
Spielraum nicht enger begrenzt sind, als jene Artikel des Vertrages von
Kainardje, auf welchen die Ansprüche sich begründeten, welche 1856 in Auf-
hebung gebracht wurden. Derartige Bestimmungen können weder durch die
griechische Regierung noch durch die Mächte, für welche sämmtliche Theile
des osmanischen Reiches ein Gegenstand. gemeinschaftlichen Interesses sind,
mit Gleichgültigkeit betrachtet werden. Die allgemeine Wirkung dieses „Theiles
des Vertrages wird die sein, die Macht des russischen Reiches in den Ländern
und an den Ufern zu vermehren, wo eine griechische Bevölkerung vorherrscht,
und zum Nachtheil nicht allein dieses Bolles, sondern jedes Landes, welches
im Osten des Mittelmeers Interessen besitzt. Die Treunung Constantinopels
zu Lande von den * albanischen und flavischen Provinzen, welche
noch ferner der Regierung der Pforte unterstehen, wird dahin wirken, daß
die Verwallung mit steter Schwierigkeit, ja sogar Verlegenheit verbunden
sein wird, und wird nicht allein die Pforte der politischen Stärke berauben,
welche sonst aus ihrem Besibe hätte hervorgehen können, sondern wird auch
die Einwohner der ernsten Gefahr der Anarchie aussehen. — Durch den übri-
en Theil des Verkrages werden ähuliche Ergebnisse anu anderen Grenzen des
osmanischen Reiches herbeigeführl. Die zwangsweise Ablösung Bessarabiens
von Rumänien, die Ausdehnung der Bulgarei bis an die Ufer des Schwar-
zen Meeres, welche letztere vornehmlich von Mohamedauern und Griechen
bevölkert find, und die Erwerbung des wichtigen Hafens Batum werden dem
Willen der russischen Negierung in der ganzen Umgebung des Schwarzen
Meeres die Herrschaft sichern. Die Erwerbung der Festungen in Armenien
wird die Bevölkerung jener Provinz unter den unmittelbaren Einfluß der
Macht stellen, welche sie besitzt, während andererseits der umfangreiche euro-