Großbrillannien. (April 3—7.) 305
würden, daß ein Geist des Patriotismus in ihnen angefacht würde und sie
dazu bereit stimme, das osmanische Reich als treue Unterthauen des Sultans
zu vertheidigen. Diese Politik wurde daoch den unglücklichen Widerstand der
höamischen NRegierung selber vereilelt, und unter den veränderten Umständen
der gegenwärligen Zeit läßt sich derselbe Zweck nicht in gleichem Maße durch
dieselben Mittel erreichen. Große Veränderungen mögen und werden ohne
Zweifel in den Verträgen nothwendig werden, durch welche das südöstliche
Europa bisher beherrscht worden ist. Indessen bilden gute NRegierung, ge-
sicherter Friede und Freiheit für eine Bevölkerung, der diese Segnungen bis-
her fremd gewesen, noch immer die Zwecke, welche dieses Land ernstlich zu
sichern wünscht. Durch ihr Verlangen einer vollen Erwägung der allge-
meinen Interessen, welche die neuen Abmachungen brauchen, glaubt die königl.
Regierung das sicherste Mittel zur Erlangung jener Ziele zu ergreifen. Sie
würde sich bereitwillig einem Congreß angeschlossen haben, in welchem die
fraglichen Bestimmungen als Ganzes in ihrer Beziehung zu bestehenden Ver-
trägen, zu den anerkannten Nechten Großbritanniens und anderer Mächte,
und zu den wohlthätigen Zwecken, auf deren Erreichung die vereinigte Thätig-
keit Europas stets gerichtet gewesen ist, hätten geprüft werden können. Allein
weder den Interessen, deren Schuh der königl. Negierung besonders obliegt,
noch der Wohlfahrt der Länderstrecken, auf welche der Vertrag Bezug hat,
würde durch den Zusammentritt eines Congresses gedienl sein, dessen Er-
örterungen durch solche Vorbehalte beichränkt würden, wie sie Fürst Gor-
tschakoff in seiner neuesten Mittheilung niedergelegt hat.“
3. April. Die Führer der Opposition im Ober= und Unter-
hause, die Lords Granville und Hartington, empfangen eine Depu-
tation von 120 liberalen Clubs aus den verschiedenen Theilen des
Landes. Bright führt sie ein. Die Deputation bezeichnet es als
ihren Zweck, den Führern der liberalen Partei im Parlament ihre
Unterstützung zu bringen in ihrem Bemühen, „die Gefahr des Krieges
abguwenden“.
4. April. Unterhaus: der Schatkanzler legt das Budget für
das nächste Finanzjahr vor:
Trotz der gedrückten Lage des Handels hätten die Einkünfte sich be-
hauptet und überstiegen die ordentlichen Ausgaben um 859,803 Lr. Von
dem Credit von 6 Millionen seien 3½ Millionen veraus sgabt, wodurch sich
der Ueberschuß in ein Desizit von 2,640,000 Lr. verwandle. Die Regierung
beabsichtige nicht, den Credit ernenern zu lassen, obschon es nöthig sein werde,
einen Supplementarcredit zu beantragen. Der Voranschlag des laufenden
Finanzjahres betrage für ordentliche Ausgaben 81,020,000, die Einnahmen
79,1.16,000 Lr. Der zu erwartende Supplementarkredit sei . 1,500,000 Lr.
L veranschlagen, das Gesammtdesizit auf 5,300, Lr. Die Negierung
schlägt eine Erhöhung der Einkommensteuer um 2 Pence (-2,14 % ) und des
Tabakzolles um 4 Pence per Pfund vor, wodurch in Verbindung mit einer
weiteren geringfügigen Stenererhöhung 3.750,000 Lr. aufgebracht würden;
die übrigen 1,550,000 Lr. des Defizits wären auf das nächste Finanzjahr
zu überkragen. Northeole schließt: Ich hoffe, falls diese Opser nöthig sind,
daß das Land dayn im Stande sein wird; aber ich wage auch zu behaupten,
daß wir weise, und zwar zu rechter Zeit' weise waren.
7. April. Antwort Gortschakoff's auf die Depesche Salis-
bury's vom 1. April (s. unter Rußland).
Schulthess, Europ. Geschichtskalender. XIX, M. 20