Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

306 Großbriklannien. (April 8.—9.) 
8.—9. April. Debatte im Ober= und Unterhause über die 
zu erlassende Antwort auf die Botschaft der Königin betr. die Ein- 
berufung der Reserven. Dieselbe endigt in beiden Häusern mit der 
einstimmigen Annahme der dort von Veaconsfield, hier vom Schatz- 
kangler Northcole beantragten Adresse. Im Hause der Lords wird 
kein Gegenantrag oder Amendement gestellt. Im Hause der Ge- 
meinen schlägt ebenfalls keine der liberalen Parteien ein Amende- 
ment vor, also enthält sich die Partei als solche eines Gegenantrags; 
aber eine Anzahl leidenschaftlicher Genossen der Partei läßt es sich 
nicht nehmen, durch Sir W. Lawson ein Amendement einzubringen, 
welches die Einberufung der Reserven für ungerechtfertigt und un- 
llug erklären sollte. Das Amendement wird mit 319 gegen 64 
Stimmen verworfen; von den Häuptern der Partei stimmen nur 
Gladstone und Bright dafür, die anderen enthalten sich der Ab- 
stimmung. 
Es geht daraus hervor, daß das brittische Cabiuet über eine Mehr- 
heit im Parlament verfügt, wie sie wohl selten ein Cabinet in einer so wich- 
ligen Frage zur Seite gehabt hat. Nachdem das Parlament die von der Ne- 
gierung angekündigte Mahregel gebilligt hat, kann auch die Bewilligung der 
zu deren Turchsührung nolhwendig werdenden Mittel keinem Austande unter- 
liegen. Das Cabinet Beaconsfield steht Rußland gegenüber nun da als der 
wirkliche Repräfentant der ganzen materiellen und moralischen Kraft Eng- 
lands, und wie der Chef und die Mitglieder desselben sich der Macht ihrer 
Stellung und des Ernstes ihrer Aufgabe vollauf bewußt sind, zei gen die 
Neden und Erklärungen Veaconsfield's und Salisbury's, Northcote's und des 
nenen Ministers für Indien Hardy's. An Entschiedenheit und Rraft, wie 
in Bejzug auf rhekorischen Schwung ragt vor allen die Nede Lord Veacons- 
sields hervor. Besonders bemerklenswerkh ist auch die Hallung, welche Lord 
Terby geigt und die scharfe Eutgegnung, welche er von Seite Lord Salis- 
bury's sindet. Letzterer spricht zugleich aus, daß er gulen Grund habe zu 
glauben, daß der Krieg vermieden werde; diefer gule Grund kann nur darin 
beslehen, daß der nene Chef des Auswärtigen Amtes der Meinung ist, daß 
Rußland auch nicht einmal vor dem entschlossenen Widerstand Englands 
Stand halten werde, selbst wenn dieses vereinzelt handeln müßte. An eine 
Nachgiebigleit Englands gegenüber Rußland hal der Lord dabei sicherlich nicht 
geda 
Rede Beaconsfield's: Derselbe legt die Umstände dar, welche 
zu der Botschaft der Königin geführt hätten, und erörtert die Politik der 
Regierung, welche im Allgemeinen vom Parlament seit dessen Eröffnung ge- 
billigt worden. Er erinnerl an das bei Beginn des Krieges erlassene Ant- 
wortschreiben Derby's, auf die Girculardeprsche Gortschakoff's, worin Derby 
auf die Stipulationen der Verträge von 1856 und 1871 namentlich hinsicht- 
lich der Unabhängigkeit und Inlegrität der Türkei hingewiesen, sowie auf 
das Prinzip, daß keine Macht sich ihrer vertragsmäßigen Verpflichtungen 
ohne Zustimmung der anderen Signatarmächte entledigen könne. Es sei von 
Vedentung, zu sehen, daß dieses Prinzip schon bei Beginn des Krieges von 
der Regierung in so direkter Weise förmlich gewahrt worden sei. Dieses 
Prinzip sei das Pringip der Politik und Diplomatie Englands, darauf sei
	        
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