Eroßbrillannien. (April 8—9). 307
die Politik Englands gegründet, und wenn Nußland mit den vorgedachten
Verpflichtungen sich nicht einverstanden erklärt hälle, würde England die
Neutralitätspolitik nicht haben adoptiren können. Beim Beginne der Ver-
handlungen unter den Rriegführenden sei Rußland benachrichtigt worden, daß
jeder abzuschließende Vertrag ein europdischer sein müsse. Beacons efield gibt
nun eine Uebersicht der dem Parlamente vorgelegten diplomatischen Correspon-
denz und weist auf die große Heimlichkeit hin, in welche die Friedensver-
handlungen zwischen Nuhland und der Pforte gehüllt worden. Nustland
habe indeW zugesichert, der Friede solle nur als ein Präliminarfrieden an-
gesehen werden. Oesterreich habe diese Zusicherung als eine befriedigende
angesehen, denn es habe die Mächte zur Conferenz eingeladen. Oesterreich
habe diesen Schritt in seiner Eigenschaft als Pariser Signatarmacht gethaun.
Bei den Verhandlungen über den Congreß habe England wegen Fragen von
secundarer Bedeutung, wie hinsichtlich des Vorsitzes im Congresse, und ob
eine Conferenz oder ein Congreß zusammentreten solle, leinerlei Schwierig-
teilen erhoben. Die Regierung habe nur lebhaft gewünscht, daß die Con-
ferenz oder der Congreß ein sicheres Obdach habe, und geglanbt, daß das
Zusammentreten des Congresses das einzige Mittel sei, den europäischen Frie-
den zu sichern. Als Oeslerreich Verlin an Stelle von Wien als Congreßort
vorgeschlagen, habe Eugland keinen Einwand erhoben. Um aber jeden Auf-
schub zu vermeiden, und da die brittische Negierung gewußt habe, daß zwi-
schen Rußland und der Türkei geheime Unterhandlungen fortdauerten, daß
die russische Armee weiter vorrücke und russische Truppen sich in der Um-
gebung von Konstantinopel ansammelten, habe sie geglaubt, die Flotte nach
dem Marmora-Meer senden zu müssen und es für äußerst wichth gehalten,
daß, nachdem England dem Congresse zugestimmt, die Politik der Negierung
noch auf eine andere nicht mißzuverstehende Weise deklarirt werde. Die
brittische Negierung habe daher Oesterreich beuachrichtigt, daß man zum
Voraus wissen müsse, daß jeder Artikel des Friedensvertrages zur D Discussion
gestellt werde. Die Regierung habe damit das große vor Beginn des Krieges
aufgestellte Prinzip aufrecht erhalten. Rußlands Worte „Appreciation und
Action“ seien unter allen Umständen sehr dunkel und unklar. England sei
durch die russische Antwort nicht Amiriedengestell. müsse dieselbe vielmehr als
Ablehnung desjenigen betrachten, was England als billige und erlaliche
Bedingung für den mit der Prüfung * Vertrages von Sau Stefan
schäftigten Congreß ansehe. Jeder Artikel des Vertrages, aus genoninen die
rein technischen Bestimmungen, erklärt Beaconsfield, jei eine Abweichung von
den Verträgen von 1856 und 1871, er sage nicht Verletzung, weil die Ar-
tilel im Congresse hätten erwogen und wie e orschläge (suxgestions) betrachtet
werden können. Der Vertrag von San Stefano vernichle vollständig, was
man die enropäische Türkei nenne, schaffe ein Bulgarien, was geradezu
gar nicht von Bulgaren bewohnt sei, nähme auch der Türkei Häfen im
schwarzen und ägäischen Meere und gebe den griechischen Provinzen Epirus
und Thessalien neue Gesetze, die Nußland denselben auferlege. Das schwa arze
Meer würde ein russijcher See wie der kaspische. Die bessarabische Frage
sei leineswegs eine Frage von untergeordneter und lokaler Bedentung; sie jei
eine Angelegenheit, welcher schon Palmerston die größte Wichtigteit beige-
messen, weil sie mit der Unabhängigkeit der Schifffahrt auf der Donau zu-
sammenhänge. Weun dieser Verlrag zur Durchführung gelangte, so würde er
nicht nur den brittischen Handel mit Persien, sondern auch die freie Schiff-
fahrt in den Meerengen berühren, weil er die Türkei zum Vasallen Rußlands
machen würde. Es muhle demnach erwogen werden, wie der Haltung Ruß-
lands zu begegnen sei. Es hatte geschienen, daß die Verhältuisse des Welt-
theiles dem Congresie nicht ungünstig seien. Alle Mächte, mit Ausnahme
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