Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Gtoßbrillannien. (Milte April.) 309 
kann. Mehrere derselben werden zum Pferdetrausport eingerichtet. Das 
Ministerium hal beschlossen, den Unteroffizieren und Soldaten, wenn sie im 
Anslande zu dienen haben, eine Gehaltszulage zu geben. — Die Canalflolle, 
commandirl vom Vice-Admiral Lord John Hay, bleibt vorläufig in Malta. 
Der Contre-Admiral Sir John Commerel ist für Gallipoli bestimmt, und 
die beiden Contre-Admirale Dowel und Luard haben ihr Amt im Arsenal 
von Malta. Fünf weitere Panzerfregatten sind von England nach Malta 
unterwegs. Die Fabriken in Veverley erhielten Ordre zur Anfertigung von 
weiteren 100 Ambulanzwagen nach einem neuen Modell. Konstantinopel 
wird bei diesen Rüstungen keinen Augenblick aus den Augen gelassen. Die 
Ueberwachung desselben wollen die Türken den Engländern überlassen, wenn 
es biesen gelingt, vor den Russen sich der Hauptstadt zu bemächtigen, was 
ebensowenig. leicht als wahrscheinlich ist. Im russischen Lager spricht man 
mehr denn jex von der Wahrscheinlichkeit einer baldigen Besetzung von Kon-- 
stantinopel. Dieser Eventualitäl gegenüber kann Niemand mit Bestimmtheit 
sagen, ob die Türken im Stande wären, einen ernsten Widerstand zu leisten. 
Doch befinden sich ca. 85,000 Combattanten in der ingehmng. der Hauptstadt. 
Achmed Vefyt Pascha verspricht sogar Layard, 150,000 M aun an dem Tage 
England zur Verfügung zu stellen, an welchem dieses die Sache der Türkei 
ernstlich in die Hand nehmen werde. Layard und seine Uenten bieten Alles 
auf, um die Hoffnungen der Türken zu ermuthigen. In Stambul und Um- 
gebung werden von den Engländern massenhaft Pferde gekauft; es werden 
von ihnen Lieferungen von Lebensmitteln kontraktlich abgeschlossen und zahl- 
reiche Handelsschiffe für den Dienst der englischen Arme gechartert. 
Die Regierung hat den Entschluß gefaßt, auch die Colonien 
zu einem eventuellen Kriege mit Nußland herbeizuziehen. Zunächst 
soll ein indisches Contingent, das fast ausschließlich aus eingebornen 
Truppen besteht, nach Malta übergeführt werden. 
Die nach Millionen zählenden Muhamedaner Quindint nehmen leb- 
haft Partei für die Türkei und gegen Rußland und die indische Regierung 
betreibt die Kriegerüstungen mit allem Eifer. Alle einheimischen Regimenter 
haben Befehl erhalten zu voller Kriegs sstärke. Die Gewehrfabriken arbeiten 
dreimal so stark wie sonst, Nachts und Tags, an Sonn= und au Werktagen, 
militärische und medicinische Vorräthe werden in großer Masse gesammelt. 
Die Sipahis entiprechen der Aufforderung, ausländischen Kriegsdienst zu thun, 
mit Freuden. Einige Regimenter erbieten sich freiwillig mitzuziehen. General 
Roß, bekannt von 1857 her, ist der Commandeur der nach Malta ab- 
gehenden Division. 
Bieshe#r galt es als ein Grundsatz indischer Politik, eingeborene Truppen 
nur in Indien oder asiatischen und afrikanischen Ländern zu verwenden. 
DTurch Beorderung indischer Lruppen nach Europa hat Lord Beaconsfield, 
der die Königin Bictoria zur Kaiserin Indiens machte, diese Tradition ge- 
brochen. Aeußerst bezeichnend ist die Methode, in welcher er es gethan. 
Kein Negiment, wie man bemerken muß, ist alten Vorbildern gemäß, zum 
freiwilligen Dienste aufgefordert worden, sondern sede Präsidentschaft hat Be- 
fehl erhalten, eine kleine Brigade Zu entsenden. Die Bedeutung dieser Maß- 
regel, die aus geographischen Gründen unbeguem sein muß, ist augenscheinlich 
die, zu zeigen, daß die gesammte indische Armee jeder Waffengaktung aus 
allen Landes stheilen der Königin zur Verfügung für den enropäischen Dienst 
steht, gerade so wie die heimischen Truppen. Wenn der Versuch sich be- 
währen sollte, so würden etwa 300,000 Mann in Indien der Königin mehr 
zur Verfügung stehen. 
 
	        
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