362 Franbreich. (Mai 11.)
ist ein so kühnes Unternehmen, daß bei den Freunden des Ministers die Be-
sorgniß, manche Senatoren der Linken davor zurückschrecken zu sehen, größer
war, als die Hoffnung, einen Theil der Rechten dafür zu gewinnen, zumal
es kein Geheimuiß war, daß selbst der Finanmminister Löon Say seine schweren
Bedenken dagegen halle, das Land mit 4 Milliarden nener Schulden zu be-
lasten. Die Art und Weise, in welcher jedoch auch er für dieselben im Senat
eintritt, beweist, daß eine vollständige nleberrinstimmung im Schoße der Re-
gierung sowohl als auch zischen dieser und der republikanischen Mehrheit
über alle Principien und Fragen der Finanz= und Verkehrspolitik besteht.
Die überraschend große Mehrheit aber, welche sich schließlich im Senat für
die Projekte des Hru. de Freycinet zusammenfindet, ist ein sprechender Beweis
dafür, das vor einer nur das Gesammtwohl des Landes ins Auge fassenden
und dieses mit der Kraft einer tiefen Ueberzeugung vertrelenden Politik selbst
die hartnäckigsten reactionären und feindseligen Tendenzen am letzten Ende
nicht Stand zu halten vermögen. Ist daher de Freycinet angenblicklich gewisser-
aßen der Held des Tages, so hat der Bautenminister diesen Triumph auch
verdien
11. Mai. Kammer: bestellt die Budgetcommission für das
Budget für 1879; Gambetta wird wieder Präsident derselben. Gam-
betta übernimmt den Vorsitz mit folgender Ausprache:
„Wir haben einen Feldzug hinler uns, der, wenn auch nicht lang,
doch schon von fruchtbaren Resultaten gekrönt war. Dauk dem Zusammen=
wirken aller, der Kaltblütigkeit, Geduld und Arbeitsliebe des Landes, konnten
wir schwere Zeiten, die jetzt, Gott sei Dank, fern hinter uns liegen, glücklich
überstehen, und wir können jetzt der Lage mit Ruhe ins Angesicht blicken.
Diese Krisis hat die bewundernswerthe Einigkeit Frankreichs unker der Aegide
einer ruhigen, gesetzlichen, flarken, fleißigen und friedlichen Republik dar-
gelhan. Wir wollen jetzt, auch ferner dem Willen des Landes gehorchend,
die Bahn, welche wir seit drei Jahren eingeschlagen haben, wieder gufnehmen
und unserem Werke mit demselben Eifer obliegen wie in den früheren Sesf-
sionen. Zwei leilende Gedanken jollen uns dabei aufrecht erhalten: erstlich
wollen wir nichts versäumen, um zu der Größe, dem Gedeihen und Fort-
schritt, unseres theuren Valerlandes beizutragen; zweitens wollen wir un-
asi darauf bedacht sein, die ans den Stenerpflichtigen auuhenden Lasten,
welche das Vermächtniß der Unglücksschläge des Kaiserreichs sind, nach Mög-
lichkeit zu erleichtern, wobei wir jedoch die Pflege der großen Interessen des
Landes mit der Schonung seiner reellen Hülfsqguellen in Einklang bringen
müssen. Diese znsesh Aufgabe ist schon jetzt eine leichtere; die Lage stellt sich in
tröstlicheren Farben dar. Wir stehen Ministern gegenüber, die unjer ganzes
Berkrauen besitzen, und unter denen man Männer von hoher Befähigung
findet, welche ihren Beruf zu den ihnen anvertrauten Dienstzweigen schon be-
währt haben. Noch ein anderer Gedanke ist bei unseren Berathungen stets
leilend gewesen und drängt sich uns heute, da davon die Rede ist, den Liqui-
dationsconto unserem Jahresbudget einzuverleiben, noch gewichtiger auf: das
ist der jeste Wille der Kammer, die Wehrkraft Frankreichs mit alen ans-
Zustalten, dessen sie zu ihrer vollkommenen Enkfaltung bedarf. Hier aber
kommt es darauf an, nicht das rechte Maß zu überschreiten, und * alles
mögliche zu gewähren, dabei aber doch dem großen Princip treu zu bleiben,
über welches die Regierung, die Slaatsmänner und das Land selbst einig
sind, daß nämlich Frankrcich ausschließlich einem Werke des Friedens und
der Civilisation obliegt. Unter diesen Auspicien wollen wir in die Prüfung
der Budgetlage Frankreichs eintreten.“