388 Jlalien. (März 23—20.)
laufenden größeren Wechsel) zu sus spendiren; die Zahlung der fälligen Cou-
pons und anderweitigen Zinsen soll dagegen noch fortgeführt werden. Dieser
Beschluß, der durch die bis aufs äußerste getriebene Finanznolh der Floren-
tiner Commune schon seit längerer Zeit r–. geworden war, erregt
die größte Sensation. Als im Jahre 1864 in Folge der September-Conven-
tion die Hauptstadt von Turin nach Florenz verlegt wurde, beschloß die da-
malige Sladtverwaltung (an deren Spitze schon damals, wie noch jetzt, der
beklannte Bürgermeister Peruzzi stand), gründlich mit den alten slelusssetiichen
Verwaltungstraditionen zu brechen und die Stadt Florenz, entsprechend ihrer
neuen großartigen Bestimmung, dem Königreich Italien als Hauptstadt zu
dienen, zu einer modernen „Weltstadt“ umzugestalten. Es wurde alsbald an
die ausgedehnlesten Vergrößerungen und Verschönerungen die Hand gelegt: es
entslanden ganz neue Ouartiere, Wasserleitung, Markthallen und vor allem
die herrliche Promenade nach Bellosgnardo, welche die Bewunderung aller
Fremden erregt. Alle diese zum Theil sehr großartigen, aber dafür auch
außerordentlich kostspieligen mnternehmungen mußiten sofort ins Stocken ge-
ralhen, als in Folge der Ereignisse von 1870 die Haupistadt nach Rom ver-
legt und dadurch Florenz wieder Pauonppalpent wurde. Hiedurch war eine
gänzlich veränderte Lage geschaffen, welche für die Stadlverwallung eine Mah-
nung zur Einschränkung und Sparsamkeit hätte sein sollen. Statt dessen
fuhr die Partei Peruzzi fort, wie bisher im großen Styl weiter zu wirth-
chaften, bis sie sich einem Desicit gegenüber befand, das seitdem von Jahr
zu Jahr beständig gewachsen ist.
23. März. Das neue Ministerium der Linken ist gebildet.
Dasselbe besteht aus folgenden Mitgliedern: Cairoli Präsidium,
Zanardelli Inneres, Desanctis Unterricht, Seismit-Doda Finanzen,
Bruzzo Krieg, Brocatti Marine, Conforti Justig, Baccarini Arbeiten.
Cairoli übernimmt interimistisch das Auswärtige, Seismit-Doda
inlerimistisch das Schatzministerium.
26. März. Kammer: Cairoli legt ihr das Programm des
neuen Minssteriam dar:
* Ministerium werde das Verfassungsstaint intact erhalten und
jede sinnine willkürliche Auslegung vermeiden. Italien befinde sich in
freundschaftlichen Berhältnissen mit allen Mächten und werde seine Neutra-
lilät aufrecht erhalten, weil es die Wohlthaten des Friedens wünsche; jedoch
werde es unter alen Umständen seine Würde und seine Interessen zu ver-
theidigen wissen. Das Ministerium halte die zur Vervollständigung der
Armeereorganisation hetroffenen Maßnahmen nichl für unnüh. In der 7*v-
bahnfrage werde eine parlamentarische Enqucte-Commission eingesetzt;
entwürfe betreffs des provisorischen Betriebs der oberitalienischen Fetten chet-
und belreffs der Neubauten würden vorgelegt werden. Betreffs der Vorsorge
für die Ausgaben werde das Ministerium die vom früheren Gabinet bean-
tragten Maßnahmen adoptiren, ohne zu außerordentlichen Maßregeln zu
greifen, und bezüglich der Steuern werde sich die Regierung darauf beschräu-
len, die Herabsetzung einiger besonders drückender Abgaben zu beantragen.
Nachdem Cairoli serner die Borlage besonderer Geseyentwürfe zu Gunsten der
Arbeiter angekündigt, empfiehlt er die Beschlennigung der Beralhung des
Communal= und Provinzial-Wahlgesetzes und kündigt schließlich einen Gesch
enlwurf betreffs Äufhebung des Ackerban- und Handelsministeriums an. Die
Darlegung wird wiederholt von Beifall unterbrochen.