Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Da deuische Reich und seine einzelnen Glieder. (Jan. 3— 4.) 37 
fassenden Reformprogramms verheißen konnte, wird noch immer in verschie- 
denem Sinne beurtheilt, wiewohl an dem ernsten Willen der gemäßigten 
Parteien endlich dauernde Institutionen hergestellt zu sehen, kein Zweifel be- 
stehen kann. Ueber die Ergebnisse der Varziner Besprechungen Bennigsens 
mit Bismarck herricht die Meinung vor, daß alles noch in der Schwebe und 
vor Bismarcks Rückkehr nach BVerlin eine Entscheidung nicht zu erwarten sei. 
— Januar. (Deutsches Reich.) Bundesrath: Demselben 
werden von der Reichsregierung zwei Gesetzesentwürfe 1) betreffend 
die Abänderung der Gewerbeordnung und 2) betreffend die Errichtung 
von Gewerbegerichten zur Veschlußnahme vorgelegt. 
Dieselben sollen mit dem 1. Jannar 1879 in Rraft kreten. In der 
Begründung wird hervorgehoben, daß bei Lösung der den Bundesregierungen 
gestelllen Aufgabe, entsprechend den im Reichstag vorwiegend zum Ausdruck 
gelangten Meinungen, davon auszugehen sei, daß die Revisionsarbeiten zu- 
nächst auf diejenigen Fragen beschränkt werden, bei denen das Bedürfniß 
nach Abänderung des Gesetzes am Meisten hervorgetreten sei und die An- 
schauungen über die Art der Abänderungen sich am Meisten genähert hätten. 
Aus diesen Gesichtspunkten ergeben sich folgende Ziele als die nächsten: eine 
größere Sicheruug gegen die Verletzung des Arbeitsvertrages; eine strengere 
Ordunng des Lehrlingsverhältnisses; eine Regelung der Beschästigung jugend- 
licher Arbeiler mil Verücksichligung der besonderen Verhälknisse der verschie- 
denen Industriezweige; eine peckmäßige Ausbildung der zur Erledigung der 
Streitigkeiten wischen Arbeilsherren und Arbeitern vorgeschriebenen Ein- 
richtungen. Für Nevision aller übrigen grundsählichen Bestimmungen der 
Gewerbrordnung wird die gegenwärlige Zeit nicht für geeignet gehalten, da 
die Anschanungen über Dasjsenige, was von der Gesehgebung zur Abhilfe 
der empfundenen Uebelstände erwartet werden darf, weit auseinandergehen. 
3. Jannar. (Sachsen.) II. Kammer: Beräth eine Petition 
der evangelisch-reformirten Consistorien zu Leipzig und Dresden um 
Abänderung des Parochiallastengesetzes. 
Für dieselbe tritt namentlich der Abg. Ior. Stephani auf, da der 
Grundsatz, nach welchem Andersgläubige gezwungen würden, zu den Parochial- 
lasten beizutragen, völlig unhaltbar, beziehungsweise ganz unvereinbar mit 
dem neueren Grundsatze sei, die Kirche möglichst auf eigene Füße zu stellen; 
in Sachsen bedürfe zudem die Kirche eine Unterstühung von Andersglaubigen 
nicht. Die Kammer tritt mit 10 gegen 20 Stimmen dem Compromiß= Vor- 
schlag der Tepulation bei: die Regierung zu ersuchen, daß sie die Bestim- 
mungen über die Verpflichtung der Kirchen= und Schulgemeinden zur Auf- 
bringung des für ihre Kirchen und Schulen erforderlichen Aufwands dahin 
abändere, daß den Gemeinden die Füglichkeil gegeben werde, die andersgläu- 
bigen Grundbesitzer von Beiträgen zu den Parochiallasten frei zu lassen, und 
daß sie dem nächsten Landtag einen entsprechenden Gesezentwurf vorlege. 
Der GCultueminister Dr. v. Gerber hatte sich, hauptsächlich wegen der Con- 
sequenzen, gegen diesen Vorschlag ausgesprochen. 
4. Jannar. (Preußen.) Der Unlerrichtsminister Falk weist 
eine Eingabe evangelisch-strenggläubiger Gegner der confessionell ge- 
mischten oder Simultan-Schulen in Minden sehr entschieden durch 
den Hinweis darauf ab, „daß in den paritätischen Schulen durch
	        
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