Ilalien. (März 27 — April 20.) 389
27. Mär Kammer: die Wahl des Kammerpräsidenten fällt
zu Gunsten des neuen Ministeriums Cairoli aus. Dasselbe scheint
auf eine Mehrheit der Kammer zählen oder wenigstens hoffen zu
dürfen.
Der von dem Ministerium acceptirte Candidat der Linken, Hr. Farini,
erhält 174 von 262 Stimmen. Außerdem fallen 60 Stimmen anf Hrn.
Coppino, den Unterrichtsminister im Cabinet Depretis, 26 Zettel sind un-
beschrieben. Die 60 für Hru. Coppino abgegebenen Stimmen kueninn alle
aus der Linken, und zwar rühren sie von den persönlichen Feinden der HH.
Cairoli und Zanardelli. den HH. Nicotera, Crispi und Depretis und deren
Anhang her, die kaum die G Gekegenheit abwarten können, sich an ihren Nach-
folgern zu rächen, und denen die gemäßigte Haltung des neuen Ministeriums
einen willkommenen Vorwand gibt, sich von ihm zu trennen. Die 26 weißen
Zettel gehören den Radicalen, welche gleichfalls die Hinneigung des Mini-
steriums Cairoli zur Nechten mißbilligen, andererseits aber doch zu sehr auf
politischen Anstand halten, um mit den HH. Nicotera, Crispin und Depretis
gegen das neue Ministerium gemeinschaftliche Sache zu machen. Die 174 Stim-
men für Hrn. Farini setzen sich endlich dadurch Zzusammen, daß, außer den
dem Ministerium wohlgesinnten Abgeordneten der Linken, auch noch die ganze
Rechte für den ministeriellen Präsidentschaftscandidaten stimmt.
3. April. Kammer: genehmigt den schon 1877 zur Zeit der
Regierung Broglie-Fourtou mit Frankreich abgeschlossenen Handels-
vertrag mit 212 gegen 19 Stimmen. Derfelbe ist für Italien gün-
stiger als für Frankreich. — Die Regierung trägt darauf an, eine
Commission niederzusetzen, welche die finanziellen Verhältnisse der
Gemeinde Florenz untersuchen soll.
9. April. Kammer: Debatte über die orientalische Frage.
Die Stimmung ist Rußland und seinen Tendenzen entschieden ab-
geneigt und scheint sich bedingungsweise vielmehr Oesterreich zuzu-
neigen; Griechenland und seinen Wünschen möchte sie gern entgegen
kommen.
16. April. Kammer: genehmigt einen allgemeinen autonomen
Zolltarif mit 191 gegen 20 Stimmen.
Derselbe ist auf Grundlage des neuen (übrigens von Frankreich noch
nicht genehmigten) Handelsvertrags mit Frankreich entworsen und zeigt durch-
schnittlich einen Aufschlag von 10 bis 20 % auf die Zollsäße, welche kraft
jenes Verkrags für Frankreich gelten sollen. Der oberste Ersictspunt bei
Aufslellung der Saätze dieses allgemeinen Tarifs war der, daß derselbe, wie
die Einleitung sagt, eine „active Repressalie“" sein soll, eine Kriegsmaßregel
gegen das Ausland mit dem Zweck, vertragsmäßige Zollerleichterungen zu
erwingen oder zum mindesten die Behandlung der italienischen Ausfuhr=
artikel auf dem Fuße der zumeist begünftigten Nationen.
20. April. Durch königl. Decret wird der Gemeinderath von
Neapel, dessen Finanzlage keine viel bessere ist als diejenige von
Florenz — zum fünsten Mal innerhalb 17 Jahren — aufgelöst und