Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Jlalien= (Mai 3... Juii .) 391 
Die Kosten sind auf 750 Millionen veranschlagt, innerhalb der nächsten 
jünfzehn Jahre mittels Ansgabe von fünfprocentigen Rententiteln zu be- 
schaffen, deren Coupons vom Staate für Zahlungen jeder Art angenommen 
werden sollen und für die der im Staatsbesitz verbleibende Theil der nen zu 
bauenden Bahnen als Hypothek ausgesetzt bleibt. Die Vorlage stellt fünf 
Kategorien solcher neu angulegender Bahnstrecken aus, je nach deren Stellung 
zum allgemeinen Verkehr und der vom Staate zu gewährenden Unterstützung, 
die von vollständigem Bau auf Eätekaste WGinie Novara-Tino zur Gott- 
hardbahn führend, Cald auf Sicilien) bis 
hinab zu einem Beitrage von 0,4 uod die Baukosten von Zweigbahnen mit 
engerem Geleise gehen. Ein Paragraph der Vorlage verlangt die Ermächti- 
gung, den internationalen Vertrag zwischen Tentschland, Italien und der 
Schweiz, verabredet zu Bern am 12. März 1878 zur Sicherung der Aus- 
führung der Golthardbahn, ganz und vollständig zur Ausführung zu bringen. 
31. Mai. Da die französischen Kammern den Handelsvertrag 
mit Italien von 1877 noch nicht genehmigt haben, so beschließen 
Kammer und Senat das Inkrafttreten des autonomen Zolltarifs 
bis zum 1. Juli zu verschieben und zwar die Kammer mit 73 gegen 
24, der Senat mit 73 gegen 1 Stimme. 
  
  
3. Juni. Kammer: Finanzdarlegung des Finanzministers 
Seismit-Doda. Dieselbe lautet über alle Erwarlungen günstig. 
Der Finanzminister glaubt behaupten gu dürfen, daß die Aera der 
Deficits nunmehr einer Periode Platz mache, in der bestimmt zu 
erwartende Ueberschüsse — für dieses Jahr etwa 10 Millionen, für 
das nächste 45 und eine halbe — die Möglichkeit bieten, die schmerz- 
lichsten Stellen des stenerzahlenden Publikums zu erleichtern und 
zugleich ohne Eintrag durch die neuen Ausgaben für nothwendige 
Eisenbahnbauten dem Gespenste des Zwangscurses ernstlich zu Leibe 
zu gehen, — mittels neuer, aus der Einziehung von Gütern der 
Pfarreien und Bruderschaften zu beschaffenden Fonds und weiterhin 
durch verminderte Verpflichtungen aus rückzuzahlenden Anleihen. 
7. Juni. Kammer: Debatte über das Decret vom 26. Dec. 
1877, durch welches das zweite Ministerium Depretis das Ackerbau- 
ministerium abschaffte, ohne dazu vom Parlament ermächtigt zu sein. 
Minghetti verlangt ein entschiedenes Tadelsvotum und zwingt Cairoli, 
Farbe zu bekennen. Derselbe erklärt sich mumehr. sehr entschieden dahin, 
daß jenes Decret ein Eingriff in die Rechte des Parlaments gewesen gei, und 
bricht damit entschieden mit dem unzuverlässigen Theile der Linken. Die von 
der Negierung geoiigte Tagesordnung wird mit 273 Stimmen angenommen. 
Die Mehrheit des Ministeriums setzt sich zusammen aus der Rechten, den 
Centren und der äußersten Linken, deren Chef Dr. Vertani ausdrück- 
lich erklärt, das Ministerium nicht im Stiche lassen zu wollen. Die Dissi- 
denten der Linken bringen es nur auf 75 Stimmen, wobei die zahlreichen 
Stimmenthaltungen (Tepretis, Crispi, Nicotera, Mancini) ihnen zugezählt 
sind. Der Sieg des Ministeriums ist also ein außerordentlich glänzender.
	        
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