Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

404 Die papstlie Curie. (Febr. 26 — Maͤrz 4) 
abgehaltenen Cardinal-Congregation beschlossen, daß der neue Papst 
für einmal den Vatican nicht verlassen solle. Die Fiction der 
„Gefangenschail“ soll also aufrecht erhalten werden. Ferner wird 
beschlossen, die Thronbesleigung allen Regierungen mit eingiger Aus- 
nahme derjenigen des Königreichs Italien zu notifiziren. Dagegen 
sollen alle zwischen dem Vatican und den Regierungen, mit 
welchen derselbe in Begiehungen steht, schwebenden Fragen wieder 
aufgenommen werden, um denselben jede Feindseligkeit, die elwa 
Platz gegrisfen, zu benehmen. Das gange Personal des päpfstlichen 
Hofes wird gewechselt werden. Die Intkransigenten machen groste 
Anstreugungen, um die Bestätigung des GCardinals Simeoni als 
Staatssecretär zu erwirken. 
26. Febrnar. Der Papfst bestätigt den bisherigen Cardinal- 
Staatssecretär Simeoni in seinem Amte. 
Anfang März. P. Curci veröffentlichl eine neue Schrift über 
den modernen Zwiespalt zwischen der Kirche und Jtalien. 
So weit hat es die von den Jesuiten und ihrem Auhang geleitete 
Regierung in ihren einunddreißig Jahren gebracht, daß endlich sogar der- 
jeuige, der die längsie Zeit in der ersten Reihe ihrer tonangebenden Männer 
gestanden, sich im Gewissen gedrungen fühlt, die Wege des Papstes und des 
Jejnitenordens zu durchkrenzen und zum Schutze der wahren Interessen der 
Religion und der Kirche seine Stimme zu erheben. Es handelt sich um das 
Verhäkluih der Curie zu Italien. Seit Ende 1872, meint Curci, war es 
daß die Resultate der italienischen Bewegung nicht mehr ückgäugig zu 
waacen, daß der Kirchenstaat unwiederbringlich verloren sei. Die herrschende 
Partei wollte dieß nicht einsehen, und indem sie bei ihren thörichten Hoff- 
nungen beharrte, hielt sie den Rriegszustand aufrecht zwischen dem neuen 
Italien und allen wahren Katholiken, d. h. ihren Anhängern. Im Angesicht 
der für die Kirche selbst verderblichen Folgen dieser Politik wagte Curci ver- 
trauliche Vorstellungen in einer dem Papst vorgelegten Denkschrift. Die 
Folge war sein eigenes Verderben. Die Deukschrift wird gegen jeinen Willen 
veröffentlicht. Um das Aergerniß zu fühnen und dem Papst Genugthuung 
zu verschaffen, fordert der Jesuitengeneral den Verfasser zum Widerruf auf, 
unler Androhung der Aus sstoßung aus dem Orden. Curci weigert den Wider- 
ruj, wird aus dem Orden ausgeschlossen, und da er unun, von beschränkenden 
Rücksichten frei, nur seinem Gewissen zu jolgen hat, so schreibi er zuin zweiten- 
mal, aber jetzt ausführlich und für die Oeffentlichkeit über den Gegenstand, 
der ihm am Herzen liegt. 
3. Märg. Krönung des Papstes in der Sixtinischen Capelle 
im Veisein des gesammten diplomatischen Corps. Der hergebrachte 
Segen urbi et orbi, von der Loggia der St. Peterskirche aus, 
unterbleibt. 
4. März. Cardinal Simeoni tritt als Staatssecretär zurück 
und wird durch Cardinal Franchi ersetzt. Als Grund wird an- 
gegeben, daß Nußland plötzlich das Verlangen ausdrückte, mit der 
 
	        
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