Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Dir Schweij. (Mai 5—9.) 413 
verfassung und des Kirchengeseses vorgenommen worden ## in einem Zeit- 
punkt allgemeiner politischer Begeisterung. Der das Volt durchdringende 
ideale Schwung machte aber bald einer etwas nüchternen Stimmung Plat, 
als die vielfach mit allzu großer Schärse durchgeführte Ansführung die neu- 
geschaffenen Institulionen nicht immer in dem günstigen Lichte zeigte, welches 
dieselben bei der Abstimmung umgeben hatte. Die Ansführung der vom 
Bund aufgestellten neuen Mililär-Organisation rief sast allgemeine Klagen 
über Militarismus hervor, und dazu kamen die Jahre der Noth und der 
Jusammeustur) des Schwindelsystems, welches sich einige Zeit im öfsentlichen 
im Privatleben fast in der gangen Welt breit gemacht hatte. Man 
kin ein Unrecht gegen die Regierung begehen, wenn der Umstand außer 
Acht gelassen würde, daß sich in unserm Raukon auf eine vielleicht allzm 
kurze Periode die Ausführung einer Menge großartiger Werle zusammen- 
gedrängt hat, die zwar in eminenter Weise Zzur Förderung der allgemeinen 
Wohlfahrt dienen, aber auch die Kräfte des Landes übermäßig an- 
spannten und der Verwaltung finanzielle Verlegenheiten bereiteten. Leugnen 
wir aber auch nicht einige in unserm Kanton von den Behörden begangene 
Fehler r. Erkennen wir diese, so haben wir gleichzeit ig auch das Miltel- 
gesunden, um sie wieder gut zu machen. Geben sich alle besseren Elemente, 
abgesehen von ihrer politischen Richtung, das Wort: nicht ihre polilische 
Meinung zu verleugnen, aber vor allem die stricte Handhabung von 
Verfassung und Geset auf ihre Fahne zu schreiben und mit vereinten Kräften 
wiederum eine solide Finanzwirthschaft einzuführen, so wird es bei den 
reichen Mitteln des Kantons nicht allzu schwer sein, auch wiederum georducte 
Finanzzustände zu schaffen, und gerade die demnächst stattsindenden Neu- 
wahlen werden auf diese Weise die Gelegenheit bieten, das gestörte Verkrauen 
zwischen Bolk und Behörden von neuem herzustellen.“ 
5. Mai. (Bern.) Die allgemeinen Erneuerungswahlen zum 
Gr. Nath ergeben eine Verstärkung der conservativen Partei von 
85 auf ca. 100 Stimmen, während die liberale Majorität immerhin 
noch ca. 150 Stimmen beträgt. Der seit 20 Jahren höchst einfluß- 
reiche Stämpfli fällt durch und zieht sich ins Privatleben zurück. 
13. Mai — 4. Juni. Berathung einer von der Schweiz 
angeregten internationalen Confereng in Bern behufs Vorberathung 
eines Vertkrags über internationales Eisenbahnfrachtrecht. 
An derselben nehmen 25 Delegirte folgender Staaten Theil: Deulsch- 
land, Oesterreich, Frankreich, Italien, Nußland, Belgien, Holland, die Schweiz 
und Luremburg. Die Conserenz legt ihren Berathungen einen von der schwei- 
zerischen und einen von der deutschen Negierung ausgearbeiteten Entwurf zu 
Grunde und einigt sich ichließlich über einen Vertrag und über Ausführungs- 
bestimmungen dazu. Austerdem werden auf Anregung der deutschen Com- 
missarien auch Festsetzungen über den alljährlichen Zusammentrikt einer von 
den Vertragsregierungen zu bildenden Commission zur Forteniwicklung des 
Geschaffenen vereinbart, in welchen auch vorgesehen ist, daß ein- Ausschuß 
der Commission auf Wunsch der Bétheiligten als Schiedsgericht in Rück- 
griffsstreitigkeiten unter den Bahnen fungiren laun. Die Arbeiten der Con- 
ferenz tragen nur einen vorberathenden Charakter; die Entschließung darüber, 
ob auf dieser Grundlage ein internationaler Verirag abgeschlossen werden soll, 
steht den betheiligten Staaten frei. 
19. Mai. (Zürich.) Die dem Kanton zugemuthete Nach-
	        
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