Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

424 Helgien. Juni 11 — Ang. 7.) 
im Ganzen beim Alten geblieben. In sechs Provinzen war die 
Mehrheit des Provinzialrathes clerical und ist es geblieben, in 
dreien war sie liberal und blieb auch so. 
11. Juni. Ernenerungswahlen der Hälfte der Kammer und des 
Senats. Dieselben ergeben einen entschiedenen Sieg der Liberaien 
über die Clericalen, indem jene die Mehrheit in beiden Kammern 
davon tragen. Das clericale Cabinet Malon gibt sofort seine Ent- 
lassung ein, die vom König alsbald angenommen wird. 
Der Umfang des Sieges überkrifft selbst die kühnsten Erwartungen 
der Liberalen. Höchstens hatten letzttere darauf gehofft, die Mehrheit des 
Senates, welche schließlich bis auf drei klerikale Slimmen herabgesunken war, 
von rechls nach links zu verschieben und so eine Anflösung der Kammer 
nothwendig zu machen. Statt deisen erobern die Liberalen mit einem Schlage 
eine Majorität in briden Kammern, mit welcher sich schon regieren. läßt. Be- 
trägt diejelbe doch sechs Stimmen im Senat und gehn Stimmen in der Ab- 
Pordnetenlammer. während in Waremme noch eine engere Wahl aussteht. 
Die Anzahl der Nemvahlen für den Senat belrug 38. da 11 Liberale und 
23 Klerilale ausschieden, während gugleich über neue Sihe verfügt werden 
sollte. Es wurden nun 18 Liberale und 20 Klerilale gewählt, was die 
Zahl der Ersteren im Senate auf 36 erhöht und die der Letteren auf 30 herab- 
mindert. Die Zahl der ausscheidenden Deputirten belrug 61: außerdem 
sollten 8 neue Sitze vergeben werden. Von den Ausscheidenden gehörten 35 
der liberalen und 26 der klerikalen Partei an, au deren Stelle 49 Liberale 
und 19 Klerikale gewählt werden. Die Kammer besteht somit jetzt aus 
70 Liberalen und 60 Klerikalen. Insbesondere sind es die Städte Gent und 
Antwerpen, welche diesen Umschwung herbeiführlen. 
19. Juni. Frore-Orban, vom Könige mit der Vildung des 
neuen Ministeriums beauftragt, setzt dasselbe folgendermaßen zu- 
sammen: Frere-Orban, Präsidium und Auswärtiges; Bara, Justiz; 
Vauhumbeeck, Unterrichl; Saincielette, Arbeiten; Graux, Finanzen; 
Rolin-Jacquemyns, Inneres; Renard, Krieg. Dasselbe ist zum 
ersten Mal aus liberalen Doctrinärs und Progressisten zusammen 
gesetzt. Die Bildung eines speziellen Unterrichtsministeriums ist der 
erste Schritt zu einer Eutwicklung des öffentlichen Unterrichts, der 
in Belgien noch viel zu wünschen übrig läßt und den Händen des 
Clerus entwunden werden soll. Voraussichtlich steht eine außer- 
ordentliche Kammersitzung bevor, um die Bildung eines Unterrichts- 
ministeriums, das bisher nicht bestand, zu genehmigen. Ein königl. 
Deeret verordnet die Bildung eines solchen Ministeriums. 
Junli. Eröffnung einer außerordentlichen Session der 
Kammer ohne Thronrede. 
7. August. Kammer: genehmigt die Errichtung eines Unter- 
richtsministeriums mit 63 liberalen gegen 50 clericale Stimmen.
	        
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