Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

428 Hollaud. (Mai 17 — Aug. 17.) 
17. Mai. II. Kammer: genehmigt mit 64 gegen 15 Stim— 
men eine vierprocentige Anleihe von 43 Millionen zur Deckung des 
Deficits und zur Vollendung öffentlicher Arbeiten. 
12. Juli. II. Kammer: Berathung des revidirten Primär= 
schulgesetzes, das, wie das bisherige, die Confefsionslosigkeit der 
Volksschulen aufrecht erhält. 
Artikel 33 desselben bezeichnet den Zweck des Primärnnterrichts, und 
zwar in den nämlichen Ausdrücken wie das bis jetzt geltende Geset: „Der 
Schulunterricht ist, unter dem Erlernen angemessener und nützlicher Kennt- 
nisse, der Entwicklung der Geistesgaben der Kinder und ihrer Erziehung zu 
jeglicheu christlichen und gesellschaftlichen Tugenden gewidmet. Der Lehrer 
hütet sich etwas zu lehren, zu thun oder zuzulassen, was mit der Achtung, 
die man dem religiösen Gefühl Andersgläubiger schuldet, im Widerspruch 
steht."“ Die Ultramontanen und Orthodoxen hatten nnn seit längerer Zeit 
die Parole erhalten, die Streichung des Ausdrucks „chrisllichen“, wenn mög- 
lich, zu erwirken; angeblich weil der Gesetzgeber, wenn der ünierricht wirk- 
lich confessionslos jein soll, das betreffende Wort auch nicht gebrauchen dürfe; 
in Wirklichkeit aber, um mit besserem Erfolg, als bis jetzt der Fall war, die 
öffentliche Schule als eine Pflanzslätte der Irreligiosität Oinftellen zu bönnen. 
Ze Kammer hält aber den Paragraphen mit der erheblichen Mehrheit von 
gegen 28 Stimmen unabgeändert anfrecht. 
15. Juli. II. Kammer: Berathung des revidirten Primär= 
schulgesetzes. § 45 desselben, der den Beitrag des Staates an die 
Volksschulen auf 30% denjenigen der Gemeinde auf 70% ansetzt, 
wird mit 45 gegen 36 Stimmen angenommen. Die Bestimmung 
hat besonders heftige Kämpfe veranlaßt. Denn während die liberale 
Partei eine wesentliche Aufbesserung des Unterrichtswesens von der- 
selben erwartet, fürchten die Ultramontanen und Orthodoxen, daß 
daraus den confessionellen Schulen eine unbesiegbare Concurreng 
erwachsen möchte. 
19. Juli. II. Kammer: genehmigt das Primärschulgesetz in 
der Schlußabstimmung mit einer Mehrheit von 18 Stimmen. Die 
Gegner desselben und der Confessionslosigkeit der Volksschule, die 
Ultramontanen u. Orthodoxen, wollen nun dagegen einen Petitions- 
sturm in Scene setzen, um zunächst die 1. Kammer zur Verwerfung 
des Princips und in letzter Linie den König zur Berweigerung seiner 
Sanuction zu bewegen. 
8. August. I. Kammer: genehmigt das revidirte Primär= 
schulgesetz trotz aller Agitation dagegen ihrerseits mit 26 gegen 10 
Stimmen. 
17. August. Der König sanctionirt das revidirte Primär= 
schulgesetz trotz des dagegen inscenirten Petitionssturmes.
	        
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