Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

440 Rußland. (Jan. 17—31.) 
die sich schon seit 4 Jahren in Untersuchungshaft befanden und deren 
Behandlung während dieser Zeit eine unwürdige, ja geradezu un- 
menschliche war. « 
17. Januar. (Der Krieg.) Die Russen erklären, nur in 
Adrianopel unterhandeln zu wollen. Die Pforte befiehlt, Adrianopel 
zu räumen (s. Pforte). 
18. Jannar. Das Budget für 1878 beziffert sich auf 
600,398, 425 SN. und balancirt in Einnahme und Ausgabe. Die 
Kriegskosten sind jedoch darin nicht einbegriffen. 
Wer den gleichzeitig veröffentlichten Budgekbericht vom Jahre 1876 
mit Verständniß liest, wird trotz der darin enthaltenen Vertuschungen ein 
Deficit von mehr als 100 Millionen Rubeln herauslesen, abgesehen von circa 
einer Milliarde im Umlaufe befindlicher Papier-Rubel. Sämmtliche Ein- 
nahmen sind zurückgegangen, und die Ausgaben, von denen drei Achtel (schon 
im Jahre 1876) allein auf das Kriegsministerium kommen, sind lawinen- 
artig gewachsen. Die Staatsschuld beträgt fast eine Milliarde, ohne dieselbe 
und ihre in Gold zu zahlenden Zinsen nach dem heutigen Curswerthe zu 
veranschlagen. Die Eisenbahnen, dieser ewige Wechselbalg der russischen 
Finanzwirthschaft, hätten schon längst ihr elendes Dasein ausgehaucht, griffe 
ihnen nicht der Staat rechtzeitig unter die Arme, und sie schulden dem 
Staate bereils circa 300 Millionen Rubel auf Nimmerwiedergeben. Des 
Landes Stenerkraft ist surchtbar erschöpft; auf circa 423 Millionen Rubel 
belaufen sich die Abgabenrückstände und die sonstigen Außenstände des Staats- 
schatzes. Die Zollrückgänge betragen gegen 1875 in Folge der Zollmaßregeln 
und des Sinkens der Baluta mindestens 60 Millionen Rubel. Für drei- 
oder viermal so viel ist weniger nach Rußland importirt worden und zum 
größten Theile in Deutschland zurückgeblieben. Dabei ist die Unzufriedenheit 
der Bevölkerung offenbar im Wachsen begriffen. 
21. Januar. (Der Krieg.) Die Russen rücken in Adria- 
nopel ein (s. Pforte). 
24. Jannar. Die englische Regierung verlangt vom Parla- 
ment einen Credit von 6 Mill. Pf. St. zu Rüstungszwecken. Lord 
Canarvon, damit nicht einverstanden, tritt zurück, Derby läßt sich 
beschwichtigen, Salisbury tritt dem entschlossenen Theile des Mini- 
steriums definitiv bei (s. England). 
24. Januar. (Der Krieg.) Das russische Hauptquartier 
wird nach S. Stefano in die unmittelbare Nähe von Konstantinopel 
verlegt. 
27. Jannar. Die englische Flotte langt in der Besikabay an 
(s. England). 
27. Jannar. General Ignatieff wird von Rußland mit den 
Friedensunterhandlungen mit der Pforte betraut und geht über 
Bukarest nach S. Stefano ab. 
31. Januar. (Der Krieg.) In Adrianopel wird eine Art
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.