Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

512 Nebersichl der polilischen Eulwielung des Jahres 1878. 
es für einmal erreichen konnte und wollte. Nur der letzte Stoß, 
die Besetzung Constantinopels und die Zurückwerfung der Türken 
über den Bosporus nach Asien blieb ihm noch für die Zukunft 
übrig und vielleicht für eine ziemlich nahe Zukunft, wofern sich dazu 
eine günstige Gelegenheit zeigen sollte. 
Allein wenigstens England und Oesterreich waren entschlossen, 
diese Abmachungen von St. Stesfano nie und nimmer zu Recht 
werden zu lassen, nur mit dem Unlerschiede, daß Oesterreich seine 
Inieressen und seine zum Schutze desselben erforderlichen, eingestan- 
denen und nicht eingestandenen, Zwecke auf einer europäischen Con- 
ferenz und durch das Miltel der übrigen Mächte, England dagegen 
die seinigen nöthigenfalls durch Waffengewalt zu wahren entschlossen 
war. England verlangte daher sofort aufs bestimmteste und sogar 
noch ehe es auch nur den Wortlaut des vor ihm so lange wie 
möglich geheim gehallenen Vertrages kannte, daß derselbe in allen 
einzelnen Puncten ohne Ausnahme der Prüfung und Entscheidung 
der europäischen Mächte unterstellt werden müsse und machte seine 
Betheiligung an der Conferenz von dem dießfälligen Zugeständniß 
Seitens Rußlands abhängig. Rußland schlug jedoch das Begehren 
rund und nett ab; das Zustandekommen der europäischen Conferenz 
wurde daher vorerst wieder sehr zweifelhaft. England aber setzte 
seine Rüstungen energisch fort. Am 23. März war ein erstes Ex- 
peditionscorps desselben, 35,000 Mann slark, vollständig organisirt 
und ein zweites von derselben Slärke beinahe mobilisirt. Am 27. 
Märg verlangte das Cabinet vom Parlament die Einberufung der 
Reserven und um die Milte April faßte es den weittragenden Be- 
schluß, eventnell auch die Militärkräfte seiner Colonien in einem 
Kriege mil Rußland herbeiugiehen und demgemäß zunächst ein in- 
disches Contingent, das zum größeren Theile aus eingebornen Truppen 
bestehen sollle, nach Malta überführen zu lassen, welcher Befehl 
wenigstens von den kriegerischen muhamedanischen Bevölkerungen 
Indiens mit lautem Inbel ausgenommen wurde, während andere 
Colonien, wie z. B. Canada, ausgesprochener Maßen bereit- 
willig des Augenblicks harrten, wo auch sie aufgerufen werden 
würden. Auch in Eugland felbst fand die Regierung die gehoffte 
Unterstützung ihrer energischen, nunmehr ausgesprochenen kriegerischen 
Politik: das Parlament genehmigte die Einberufung der Referven 
mit 319 gegen bloß 6.1 Stimmen und verwarf eine Resolution gegen 
die Verwendung indischer Truppen in Europa mit 347 gegen 226
	        
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