Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neunzehnter Jahrgang. 1878. (19)

Uebersichi der polilischen Entwichelung des Jahres 1878. 517 
zugestandene vollständige Unabhängigkeit Rumäniens, Serbiens und mu 
Montenegros sanctionirt, jedoch an die Vedingung geknüpft, daß die= mänten. 
selben den Bekennern der verschiedenen Religionen und Confessionenr 
die volle politische Gleichberechtigung zugeständen. Diese Bestimmung Nomec- 
war hauptsächlich gegen Rumänien gerichtet, das den allerdings sehr caro. 
zahlreichen Inden seines Gebieles diese Gleichberechtigung bisher 
verweigert hat. Rumänien wurde überdies gezwungen, das ihm Nu- 
durch den Pariser Frieden zugetheilte Russisch-Bessarabien wieder anwönten. 
Rußland abzutreten und dafür die Dobrudscha einzutauschen. 
Rumänien, die Regierung und beide Kammern hatten sich dagegen 
beharrlich gesperrt und einmüthig gegen diese Vergewaltigung 
protestirt. Rußland begeigte sich darin gegen Rumänien, das ihm 
vor Plewna die wesentlichsten Diensle geleistet, sehr undankbar, und 
Curopa ließ es seinerseits im Stich: Dentschland nahm sich seiner 
zu Gunsten Rußlands trotz der dynastischen Verwandtschaft mit dem 
Fürsten Karl nicht an und die übrigen Mächte folglen Deutschland, 
obgleich alle ein Interesse gehabt hätten, Nußland nicht wieder bis 
an die Donaumündungen vorrücken zu lassen. So erhielt Rumänien 
allein keine Gebietsvergrößerung, während solche Serbien und Monte- 
negro zuerkannt wurden. 
Wichtiger noch waren die Beschlüsse des Verliner Congresses Vosnien 
bezüglich Griechenlands und Vosniens. Auf das letztere hatte, wie er die 
alle Welt wußte, Oesterreich schon seit längerer Zeit sein Auge 8 
worfen, und darüber hinaus auf den Sandschak Novi-Bazar und 
NRascien, das Serbien und Montenegro von einander treunt, so wie 
auf den langen von der Eisenbahn durchschnittenen Landstrich über 
Mitrovitza hinaus bis nach Salonichi am ägäischen Meere. Die 
ersteren bilden das nakürliche Hinterland für die österreichischen 
Provinzen an der Adria, in Rascien bedarf es einer militärischen 
Stellung gegenüber Serbien und Montenegro, da beide bekannter 
Maßen zu Rußland hinneigen, obgleich sie sehon geographisch 
in den Inleressenkreis Oesterreichs, nicht Rußlands, fallen; end- 
lich würde ihm der Vesihz des Landstrichs von Mitrovitza bis 
Salonichi, zwischen Albanien und dem neuen Bulgarien, eine einfluß- 
reiche Stellung neben Rußland auf der Balkanhalbinsel gewähren, 
was augenscheinlich in seinem eigenen Interesse wie in demjenigen 
Europas läge. Vorerst ist das freilich nur eine Frage der Zukunft 
und muß dieser überlassen bleiben, wenn die Türkei ihrem weiteren 
Verfalle in Europa überantwortet bleibt, woran freilich kaum zu
	        
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