524 Nebersicht der polilischen Enlwichelung des Jahres 1878.
Vestenerung des Tabaks als eines unzweiselhaften Luxusartikels,
ernsthaft ins Auge gefaßt werden möge, um dadurch der drückenden
Matricularbeiträge los zu werden. Der Reichskanzler beharrte in-
deß auf seinem Plan und verfolgte ihn unentwegt weiter, überzeugt,
wie er war, daß er ihn schließlich doch durchsetzen werde, wenn auch
möglicher Weise allerdings nicht auf den ersten und nicht auf Einen
Schlag. Um seine Zwecke zu erreichen, bedurfte er aber zwei bis drei
hundert Millionen Mark jährlicher Einnahmen mehr für das Reich
als bisher und diese gewaltige Summe konnte nur durch das Mittel
der indirecten Steuern beschafft werden: und dieses Ziel ließ er von
diesem Angenblick an nie mehr aus den Augen. Doch konnte auch
er sich nicht verhehlen, daß es ihm, der gegen eine so gewaltige
Mehrbelastung energisch widerstrebenden öffentlichen Meinung gegen-
über, schwer fallen würde, den Bundesrath und den Reichstag da-
für zu gewinnen. Um nun den Widerstand der Einzelregierungen
zu überwinden, dachte der Reichskanzler wenigstens einen Augenblick
daran, die Reichsregierung mit dem preußischen Staatsministerium,
diesem Hauptparlicularisten, wie er es nannte, in eine nähere Ver-
bindung zu bringen, in dem Sinne, daß den Leitern gewisser Ressorts
der Reichsverwaltung dieselben Ressorts auch als preußischen Mi-
nistern im preußischen Staatsministerium vom Kaiser übertragen
werden sollten; und um seine Pläne im Reichstag durchzusetzen,
dazu sollte die Vildung einer festen Majorilät für die Regierung
dienen, die er mit Hülfe der nationalliberalen Partei zuwege zu
bringen hoffle, indem er zu diesem Ende hin dieser den Eintritt
einiger ihrer hervorragendsten Führer in die Reichsregierung und
zugleich in das preußische Ministerium in Aussicht stellte. Der
Plau war bis Ende des Jahres 1877 schon so weit gediehen, daß
der anerkannte Führer der Nationalliberalen, v. Bennigsen, sich zu
Weihnachten jenes Jahres nach Varzin begab, um mit dem Reichs-
kanzler über die Ausführung desfelben zu unterhandeln. Wie weit
beide sich verständigten, ist nicht bekannt geworden; aber allgemein
wurde angenommen, daß eine vorlänsige Verständigung jedenfalls
zu Stande gekommen sei, wenn man sich auch nicht verhehlen konnte,
daß noch allerlei, und zwar zum Theil tief greifende Differengen
zurück geblieben sein müßten. Genug, man gab sich der Hoffnung
hin, daß ein gemeinsamer Boden für eine weitere und umfassende
Vereinbarung gewonnen, und daß eine Lösung all der verwickelten
Fragen, welche das Jahr 1877 für Deutschland aufgeworfen hatte,