502 Uebersicht der polilischen Enlwichelung des Jahres 1878.
Sommer eine zahlreiche russische Gesandtschaft in Kabul. Die Feind-
schaft des Afghanenfürsten an sich konnte den Engländern nicht sehr
gefährlich sein, aber das hörte von dem Augenblicke an auf, wo
Rußland notorisch hinter ihm stand, ihn hetzte, eventuell unterstützte.
Das brittische Cabinet nahm daher die Sache sehr ernst und ver-
langte von Schir Ali in erster Linie die Aufnahme auch eines brit-
tischen Gesandten in Kabul, der zu seinem Schutze von einem ganzen
Regiment begleitet werden sollte. Schir Ali lehnte die Zumuthung
ab und verweigerte dem Gesandten die Weiterreise, als er an der
Grenze des Landes erschien. Diese Schmach konnte England um
seines Ansehens in Indien und ganz Mittelasien willen nicht auf
sich sitzen lassen und nach einigen weiteren Verhandlungen, die über
die Gesinnungen des Emir keinen Zweisel mehr ließen und während
welcher Eugland in Indien ein starkes Expeditionscorps ausrüstete,
erklärte es jenem den Krieg. Ein solcher war aber für Cugland
lein kleines Unternehmen: ein solcher Krieg ist für dasselbe er-
sahrungsgemäß bei der Natur des Landes und der Eigenart seiner
Bewohner ein entschiedenes Wagniß und nicht ohne Gefahr. Den-
noch ließ er sich dießmal für England sehr glücklich an. Seine
Truppen forcirten und besetzten noch im December alle drei Zu-
gangspässe zu dem feindlichen Land und rückten bis Dschellalabad
vor. Schir Ali selbst hielt es für gerathen, Kabul zu verlassen
und sich auf russisches Gebiet zurückzugiehen: die Russen hatten ihn,
da sich die Sachlage inzwischen verändert hatte, nach ihrer Gewohn-
heit im Stiche gelassen. Die Engländer haben indeß, was sie zu-
nächst bezweckt hatten und was sie zur Sicherung Indiens haben
müssen und nicht wieder herauszugeben gedenken. Der Vesitz ist
aber unsicher und gefährdet, so lange es ihnen nicht gelingt, mit
Schir Ali oder, da er bald darauf starb, mit seinem Sohne und
Kachfolger neuerdings in ein freundschaftliches und Vertrags-Ver-
hältniß zu treten, das aus dem Afghanenfürsten eine Art indischen
Vasallenfürsten macht: und das stand am Schlusse des Jahres 1878
noch in weitem Felde. Und schon drohte ihnen zu derselben Zeit
ein weiterer Krieg in Südafrika zum Schutz ihrer dortigen Colonien
gegen die wilden Zulu-Kaffern, der sich möglicher Weise noch ge-
fährlicher gestalten könnte und seine geringen militärischen Kräfte
zu Land noch mehr in Anspruch nehmen möchte. Ja sogar ein
driller Krieg, in Hinlerindien, mil dem jungen Könige von Virma,
stieg wenigstens als Möglichleit im Hintergrunde auf. So mochte